Berlin: Tafelkrieg an Thälmanns Denkmal

Umdeutung von Hinweisschildern am Momument des KPD-Vorsitzenden in Berlin – und am Wilhelm-Pieck-Denkmal in Guben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Unterhalb des monumentalen Ernst-Thälmann-Denkmals an der Greifswalder Straße im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg hat ein Fotograf seine Kamera auf den Kopf des KPD-Vorsitzenden ausgerichtet. Jetzt wartet er auf die Sonne, die sich langsam über die Dächer der Häuser auf der anderen Straßenseite schiebt. In dem Moment, in dem das Licht am günstigsten steht und kaum Schatten auf Thälmanns Gesicht zu sehen sind, löst der Fotograf aus. Dann packt er zufrieden ein. Er sei von diesem Denkmal und von solchen Denkmalen generell fasziniert, erklärt er. Auch in Moskau habe er bereits viele Monumente aus sozialistischen Zeiten fotografiert.

Das von dem sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel geschaffene und 1986 zum 100. Geburtstag von Ernst Thälmann eingeweihte Denkmal begeistert die einen und erzürnt die anderen. Immer wieder gab es Vorstöße, es abzureißen. So beantragte zuletzt die CDU im Mai vergangenen Jahres in der Bezirksverordnetenversammlung von Pankow, den mächtigen Kopf einzuschmelzen, das Metall zu verkaufen und den Erlös Opfern des russischen Angriffs auf die Ukraine zukommen zu lassen. Vor zehn Jahren wollte der FDP-Nachwuchs Junge Liberale das Denkmal beseitigt wissen und dafür zumindest symbolisch sprengen.

Nicht auf einen Abriss zielen die beiden Hinweistafeln, die Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) am 16. November links und rechts des Denkmals enthüllte. Sie werden aber als Angriff auf das Andenken des KPD-Vorsitzenden empfunden, den die Nazis 1944 im KZ Buchenwald ermordeten. Auf den Hinweisschildern wird Thälmann angekreidet, mit der von ihm für die Sozialdemokraten übernommenen Bezeichnung Sozialfaschisten die Spaltung der Arbeiterbewegung bewirkt zu haben. Aus Sicht vieler Historiker habe das die Voraussetzungen geschaffen, unter denen Hitler an die Macht kommen konnte.

Das »nd« berichtete darüber und kommentierte: »Nicht die Industriellen, die Hitlers NSDAP große Summen spendeten, nicht die Wähler, die ihr Kreuz bei der NSDAP machten, und nicht der Reichspräsident Paul von Hindenburg, der Hitler zum Kanzler ernannte, wären demnach die Schuldigen, auch nicht die bürgerlichen Parteien, die im Reichstag für das Ermächtigungsgesetz stimmten, sondern der Kommunist Thälmann.«

Jetzt ist an den Hinweistafeln ein regelrechter Kleinkrieg um die Deutung der Geschichte ausgebrochen. Die Schilder wurden in einer Art Guerilla-Aktion mit neuen Texten überklebt, darunter ohne Quellenangabe auch die oben zitierte Passage aus dem »nd«. Es fanden sich zusätzlich positive Einschätzungen über Thälmann wie die, er sei immer Kriegsgegner gewesen. Das wurde aber abgerissen. Nun ist die linke Tafel mit zwei roten Hammer-und-Sichel-Symbolen übermalt, die rechte Tafel abgeschraubt und auf den Kopf gestellt wieder angebracht. Eine Passantin registriert diese neuerliche Veränderung lächelnd mit den Worten: »Jetzt haben sie das umgedreht.«

Um die Deutung der Geschichte wird auch in Guben (Spree-Neiße) gerungen. In Guben, genauer gesagt in dem Teil der Stadt, der als Gubin heute zu Polen gehört, kam 1876 Wilhelm Pieck zur Welt – der erste und einzige Präsident der DDR. Er starb im September 1960. Im Jahr 1961 erhielt Guben den Beinamen Wilhelm-Pieck-Stadt und trug ihn bis 1990. Ein Wilhelm-Pieck-Denkmal wurde 1976 eingeweiht. Auch ihm drohte nach der Wende der Abriss. Es blieb aber erhalten.

Nun musste wenigstens die bisherige Informationstafel verändert werden, weil sie Wilhelm Pieck zu unkritisch geschrieben habe, so das Büro von Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragter Maria Nooke. Die überarbeitete Fassung wurde am 30. November von Nooke vorgestellt. Dir Beauftragte sagte: »Das Denkmal ermöglicht die Auseinandersetzung mit dem umstrittenen historischen Erbe aus DDR-Zeiten.«

»Wilhelm Pieck war eine umstrittene Figur in der deutschen Geschichte. Als erster Präsident der DDR wird er von einigen als Symbol für die autoritäre und repressive Natur des Regimes angesehen«, erklärte Gubens Bürgermeister Fred Mahro (CDU). »Das Wilhelm-Pieck-Denkmal repräsentiert die Erinnerung an eine Zeit, in der politische Freiheit und individuelle Rechte eingeschränkt waren

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