Wohnungspolitik: Vier minus, Tendenz mangelhaft

DGB und Mieterbund geben der Bundesregierung schlechte Noten für die Wohnungspolitik

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland ist das Mieterland Nummer eins in der EU. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt hierzulande zur Miete. Der neue »Haus-Report« des Europäischen Statistikamtes Eurostat in Luxemburg zeigt aber auch, dass in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr 5,5 Millionen Menschen aus Geldmangel ihre Wohnung nicht angemessen heizen konnten. Viele Beschäftigte und Rentner müssten auch sonst »an allen Ecken und Kanten sparen«, um ihre Mieten zahlen zu können, beklagt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB).

Für die Ampel-Koalition gibt es daher eigentlich viele Gründe, sich den Mietern und ihren Problemen zuzuwenden. Tatsächlich hatten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Regierung vor zwei Jahren in ihrem Koalitionsvertrag noch vollmundig versprochen, »das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral und nachhaltig« zu gestalten. Ebenso sollten Mieterschutzregelungen verbessert werden. Die Bundesministerin für Wohnen und Bauwesen, Klara Geywitz (SPD), stellt sich in ihrer Halbzeitbilanz ein gutes Zeugnis aus: Auf vier von fünf Seiten finden sich fast nur grüne Häkchen für bereits umgesetzte Vorhaben des Koalitionsvertrages zwischen SPD, Grünen und FDP.

Eine gänzlich andere Bilanz zogen DGB und Deutscher Mieterbund bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin. DGB-Vorstand Stefan Körzell vergibt eine »4-«, und Lukas Siebenkotten, Präsident des Mieterbundes, ergänzt: »mit Tendenz zu mangelhaft«.

Es sind vor allem die bislang uneingelösten Versprechen im Koalitionsvertrag, die für schlechten Noten sorgen. Beispielsweise die Mietpreisbremse: Bei Neuvermietung darf der Mietzins im Regelfall maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen. Das habe tatsächlich eine bremsende Wirkung auf die Mieten gehabt, sagte Siebenkotten. Doch die Regelung läuft 2025 aus. Dass sie wie vorgesehen bis 2029 verlängert wird, ist bislang nicht absehbar. Ferner blieb laut dem Mieterbundchef auch die Verlängerung des Zeitraumes aus, der für Mietenspiegel herangezogen werden muss, was Vergleichsmieten senken würde. Vor allem habe es die Regierung versäumt, die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen in angespannten Wohnungsmärkten von 15 auf elf Prozent in drei Jahren abzusenken. »Man muss nur eine Zahl im Gesetz ändern«, klagt Siebenkötter. Auch der DGB sieht hier speziell Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) als Bremser.

Auf der Habenseite der Regierung verbuchen DGB und Mieterbund die Wohngeldreform, auch wenn einiges Geld davon in den Taschen der Vermieter lande, und das »Bündnis bezahlbarer Wohnraum«. Dieses hat 187 Vorschläge für eine »Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive« erarbeitet, deren Umfang und Umsetzung allerdings offen sind.

Angesichts der nicht allein in den Städten, sondern überall »dramatischen Situation« auf dem Wohnungsmarkt – DGB-Vorstand Körzell sieht aus diesem Grund gar die Demokratie gefährdet – fordern beide Organisationen einen zeitweiligen allgemeinen Mietenstopp. Die Zeit sollte von der Politik genutzt werden, um in den Wohnungsbau, vor allem den sozialen Wohnungsbau, massiv zu investieren. Das sei auch gut für die Bauwirtschaft, die angesichts schwächelnder Immobilienkonjunktur inzwischen wieder freie Kapazitäten habe.

Für kommende Regierungen haben Siebenkötter und Körzell noch eine lange Wunschliste, die von Bußgeldern für Leerstände bis zur Abschöpfung von Spekulationsgewinnen reicht. Per »Share Deal« seien zuletzt 150 000 Wohnungen steuermindernd von Investoren verkauft worden. Das habe die Bundesländer eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen gekostet. Kommunen sollten wieder ein Vorkaufsrecht in sogenannten Milieuschutzgebieten erhalten.

Und dann gibt es im Mieterland Nummer eins auch ein Bestandsproblem: Die durchschnittliche Bestandsmiete lag zuletzt bei 7,14 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche; der neu vermietete Quadratmeter kostete 10,89 Euro pro Monat. Daran scheitert oft der Wechsel in eine kleinere Wohnung, wenn beispielsweise die eigenen Kinder erwachsen und aus dem Haus sind. Der Mieterbund fordert seit langem ein Recht auf kostenneutralen Wohnungstausch.

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