Zugverbindungen nach Cottbus: Verspätungen bis 2038

Bessere Bahnverbindung Berlin-Lausitz verzögert sich bis nach dem Kohleausstieg

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Das war überaus optimistisch: Vor einem Termin mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Donnerstag vergangener Woche um 9 Uhr im Infopavillion am Cottbuser Hauptbahnhof erlaubte sich die Potsdamer Staatskanzlei den Hinweis, der Zug aus Berlin werde um 8.54 Uhr dort eintreffen. Laut Fahrplan hätte das gestimmt.

Nur gelingt es den meistens in Berlin noch pünktlich abfahrenden Zügen selten bis nie, zur angegebenen Zeit Cottbus zu erreichen. Selbst der kurzfristige Warnhinweis der Staatskanzlei, man solle sich auf Verkehrsbehinderungen durch die Witterung einstellen – es hatte geschneit –, zeugte von Unkenntnis der Verhältnisse. Denn auch bei herrlichem Sommerwetter müssen Fahrgäste immer mit Verzögerungen rechnen. Wie selbstverständlich verspäteten sich auch am besagten Donnerstagmorgen alle Regionalzüge nach Cottbus um 25 Minuten oder mehr.

Der entsprechende Termin befasste sich ausgerechnet mit dem Strukturwandel in der Lausitz, für den gute Bahnanbindungen dringend benötigt werden. Dem dort anwesenden Klaus Freytag, Lausitz-Beauftragter des Ministerpräsidenten, sind die Verhältnisse bekannt. So scherzte er, die Staatskanzlei hätte bei ihm nachfragen sollen. Auch Ministerpräsident Woidke selbst kennt sich als gebürtiger Lausitzer bestens aus.

Eine Engstelle ist die Ursache für die meisten Verspätungen – der lediglich eingleisige Abschnitt zwischen Lübbenau und Cottbus. Hier müssen Züge den Gegenverkehr passieren lassen. So bringt jedes kleine Problem im Betriebsablauf schnell den gesamten Fahrplan durcheinander.

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Einst war die Strecke zweigleisig. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Schienenstrang demontiert und in die Sowjetunion abtransportiert – als Reparationsleistung für dort von den Faschisten angerichtete Verwüstungen. Neben kompletten Fabrikausrüstungen musste Deutschland unter anderem auch mit Schienen Wiedergutmachung leisten, die in der Sowjetunion allerdings noch an die dort breitere Spurweite anzupassen waren. Woidke erzählt diese Geschichte immer wieder und tut es auch vor einer Woche im Infopavillion. Er wünscht sich schon lange das zweite Gleis.

Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) hat zusammen mit verschiedenen Fraktionskollegen schon mehrfach beim Bundesverkehrsministerium nachgefragt. Im Dezember 2021 erhielt er zur Antwort, die Planungen des zweigleisigen Ausbaus sollten 2024 abgeschlossen sein. Jetzt, zwei Jahre später, sagt man ihm, es werde 2025 so weit sein. Doch mit diesem Zeitverzug von einem Jahr sei die geplante Fertigstellung um das Jahr 2027 herum kaum noch zu schaffen, bedauert Görke. Er hat sich auch nach 18 anderen Bahnprojekten erkundigt, die im Zusammenhang mit dem für spätestens 2038 oder sogar schon 2030 angepeilten Kohleausstieg realisiert werden sollen. Ein wirtschaftlicher und sozialer Absturz des traditionsreichen Braunkohlereviers soll verhindert werden. Bessere Verkehrsanbindungen könnten Investoren anlocken und sind deshalb ein wichtiger Baustein für einen gelingenden Strukturwandel.

Vorgesehen sind nicht nur Baumaßnahmen innerhalb der brandenburgischen Niederlausitz und der sächsischen Oberlausitz wie die Elektrifizierung der Strecke von Cottbus nach Forst. Es geht auch um die bessere Erreichbarkeit der Großstädte Dresden, Leipzig und Berlin. Dazu gehören auch Maßnahmen weitab der Lausitz bis nach Berlin hinein. So soll auf der Strecke Berlin-Cottbus der Abschnitt von Berlin-Grünau nach Königs Wusterhausen für Tempo 160 fit gemacht werden, inbegriffen der viergleisige Ausbau von Zeuthen bis Königs Wusterhausen. Berliner S-Bahn und Fernbahn sollen dadurch entflochten werden. Auch dies ist ein Beitrag zu mehr Pünktlichkeit. Am Bahnhof Berlin-Grünau soll der Spurplan optimiert werden.

Doch bei den meisten Projekten geht es nicht so voran, wie es erforderlich wäre, um bis zum Kohleausstieg mit allem fertig zu sein. Das schließt Politiker Görke aus den Auskünften, die er von Michael Theurer erhalten hat. Dabei verweist der Staatssekretär von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) extra noch auf das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz, das am 20. Oktober 2023 vom Bundestag verabschiedet wurde. Theuer spricht in diesem Zusammenhang von einem »überragenden öffentlichen Interesse«. Doch vorerst wird gebremst statt beschleunigt.

»Statt der viel beschworenen Planungsbeschleunigung verlängern sich die Planungszeiten und damit die Realisierungen erheblich, bei der Mehrheit der Projekte sogar um zwei bis drei Jahre«, bedauert der Abgeordnete Görke. Das sei für die Lausitz ein »Schlag in die Magengrube«. Auf der einen Seite werde vom Kohleausstieg bereits bis 2030 geredet, »auf der anderen Seite geht der Bahnausbau nur in der Schleichfahrt voran«. Görke findet: »Es ist doch absurd: Man baut ein hochmodernes Bahnwerk in Cottbus, kommt aber mit dem Schienenausbau nicht voran.«

Tatsächlich entstehen nahe dem Hauptbahnhof schneller als gedacht zwei Hallen für die Wartung von ICE4-Zügen und damit 1200 Arbeitsplätze. Die erste Halle soll am 9. Januar eröffnet werden und die zweite bis 2026 folgen. Doch durchgehend zweigleisig und elektrifiziert soll die Schiene von Berlin über Cottbus und Weißwasser nach Görlitz wohl erst 2040 sein – und damit drei Jahre später als bislang geglaubt. Die Elektrifizierung der Strecke Cottbus-Forst verschiebt sich um drei Jahre auf 2035 und der Ausbau zwischen Berlin-Grünau und Königs Wusterhausen um vier Jahre auf 2034. Und das ist vielleicht noch nicht das Ende.

Um mit diesem »Schneckentempo« Schluss zu machen, »brauchen wir dringend mehr Planungskapazitäten für die Schieneninfrastruktur«, meint Görke. Denn als »Flaschenhals« hat er einen Planungsstau bei der Deutschen Bahn AG ausgemacht. »Eine mögliche Lösung wäre die Gründung einer länderübergreifenden Planungsgesellschaft.« In dieser Gesellschaft sollten sich die Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen gemeinsam mit der Deutschen Bahn um die Lausitzer Projekte kümmern.

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