SPD-Parteitag als Motivationscamp

Jana Frielinghaus über das Agieren der Sozialdemokraten

Angesichts der Begeisterung der Delegierten im Berliner City Cube für den Bundeskanzler und die Erfolge der SPD könnte man meinen, sie lebten in einer Parallelwelt. Denn da draußen in der realen sitzen sie fest in einem Umfragetief, das Olaf Scholz noch einmal ganz besonders betrifft. Andererseits ist es vor diesem Hintergrund verständlich, die eigene Größe und das Immer-wieder-Aufstehen zu beschwören, denn auf den Tag genau vor zwei Jahren wurde Kanzler Scholz vereidigt, und man möchte einerseits noch bis zum Ende der Legislatur regieren, also den zerstrittenen Laden Ampel-Koalition zusammenhalten. Und andererseits muss man sich gerade wegen der desolaten Lage angesichts der Haushaltskrise auf vorgezogene Neuwahlen einstellen.

Vielen in der SPD dürfte dämmern, dass der Rechtsruck in Sachen Asylpolitik, den die Partei mit Rückführungsverbesserungsgesetz und Co mitgemacht hat, nicht zu einer Verbesserung ihrer Situation beigetragen hat. Zeichen dafür ist jener von Generalsekretär Kühnert initiierte Kompromissantrag zu Migration und Flucht, für den eine große Mehrheit stimmte. Der allerdings nichts an der Politik der Bundesregierung und ihrer Zustimmung zur Verschärfung des EU-Asylsystems ändern wird, was auch die Parteilinken wissen.

Dasselbe trifft für zahlreiche andere Anträge zu, deren Realitätswerdung von den Koalitionspartnern abhängt. Zum Beispiel sprach sich die Partei auf Initiative ihres Vorstands zum gefühlt hundertsten Mal für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Vermögensabgabe und höhere Erbschaftssteuer für Superreiche aus. Gleichzeitig aber grenzen sich selbst einstige Parteilinke wie Kevin Kühnert von der Linkspartei ab und meinen, linke Politik sei in Berlin leichter ohne diese Konkurrenz durchsetzbar.

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