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Vom Museumleiter zum Bürgermeister? Renaissancemensch auf Abwegen
Über die Bürgermeisterpläne des Museumsleiters Eike Schmidt in Florenz, dem für das Amt auch die Unterstützung von Postfaschisten recht ist
Eike Schmidt ist ein großgewachsener Anzugträger aus Freiburg im Breisgau mit italienischer Ehefrau und Staatsangehörigkeit, promoviert in Kunstgeschichte. Und er besitzt Talent im Entstauben: Im Jahr 2015 wurde er Leiter der Uffizien in Florenz und verwandelte das, nach Ansicht kundiger Besucher, verschlafene Kunstmuseum in ein moderne und erfolgreiche Institution. Für dieses Jahr verzeichnen die Uffizien mehr als fünf Millionen Besucher, machten Einnahmen von 60 Millionen Euro. Rekord! Ein Drittel der Besucher sind unter 25. Tolle Zahlen!
Aber nach zwei Amtszeiten zu je vier Jahren ist zwangsläufig Schluss. Leitende Posten in wichtigen Kultureinrichtungen dürfen in Italien eben nur so lange von einer Person besetzt werden. Da kann man so viele Verdienste für sich verzeichnen, wie man will. Und sonderlich viele Ausländer sind eh nicht darunter, was Präsidentin Meloni sicherlich gutheißt. Internationale Ausschreibungen gehen auf die Jahre sozialdemokratischer Regierung zurück.
Nun wurde bekannt, dass Eike Schmidt Leiter des Nationalmuseums Capodimento in Neapel werden soll. Dort gibt’s allerlei Antikes, Mittelalterliches, Caravaggio, Raffael, Botticelli zu bewundern. Damit kennt sich Schmidt aus. Die Renaissance ist sein Steckenpferd (Italienisch: »cavalluccio di legno«). Aber fachliche Fragen spielen keine große Rolle mehr, will man ganz nach oben.
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Denn es geht hier nicht einfach um einen erfolgreichen deutschen Kulturmanager in Italien und seine Job-Biografie, worüber sich Museumspennäler freuen mögen. Als die Ära Schmidt in Florenz zu Ende ging, aber der Job im Süden Italiens noch nicht sicher war, brachte sich Schmidt als Bürgermeister-Kandidat von Florenz ins Gespräch: Sehr erfolgreich, hochgeschätzt, beliebt, das ist er wohl. Doch um vom Museum ins Rathaus zu gelangen, braucht es politische Unterstützung.
Florenz hat einige hübsche Festungsbauten anzubieten und gilt als linke Hochburg, oder zumindest als sozialdemokratische. Schmidt tritt zwar nicht als Mitglied einer Partei an, würde jedoch auf die Unterstützung einer sogenannten »Mitte-rechts-Koalition« setzen müssen. Ihm ist »Mitte rechts« als Ausdruck wichtig. Dahinter stecken aber nun mal die regierenden »Fratelli d’Italia«, angeführt von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni; die »Lega«, deren Vorsitzender nach wie vor ein gewisser Mattheo Salvini ist, sowie »Forza Italia«, wo lange Zeit der dieses Jahr verstorbene Silvio Berlusconi das Sagen hatte.
Nun tat Schmidt sich in der Vergangenheit eher dadurch hervor, Diskussionen über die Rückgabe von Raubkunst anzustoßen und hat antifaschistische Initiativen unterschrieben. Ein Linker undercover? In einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« gibt er an, bei Meloni »starken Pragmatismus« zu erkennen und lobt ihre Kenntnisse der Theologiegeschichte, die sie in den Uffizien mal zum Besten gab. Gegen den »Overtourism«, unter dem Florenz leidet, habe er mit Ausstellungen außerhalb der Stadt schon etwas getan. Außerdem können ja auch Rechte eine »offene liberale Kulturpolitik« fahren, behauptet Schmidt.
Hingegen sorgt er sich um die Sicherheit vor Ort. »Nachts werden Menschen in der Stadt zusammengeschlagen. In unserem wunderschönen Stadtpark können Sie morgens nicht mehr joggen, ohne dass Gewalt von Drogendealern droht. Wenn das so weitergeht, kann das auch ein Problem für den Tourismus werden«, sagte er der »SZ«. Nun, in Museen herrschen Ruhe und Ordnung. Und in Vitrinen muss es sauber sein! Sollte so Schmidts Florenz aussehen?
Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano, heute parteilos, in seiner Jugend bekennender Neofaschist, hat sich zum Ziel gesetzt, Italiens Nationalgefühl zu pushen. Für Schmidt ist das nicht der Rede wert. Zur »Neuen Zürcher Zeitung« meinte er im Hinblick auf Sennaros Vorhaben: »Die Italiener sind, unabhängig von ihrer politischen Orientierung, nicht nur beim Fußball, sondern auch bei der Kultur ungemein stolz auf das, was sie über die Jahrhunderte hervorgebracht haben.« Das ist ein Schulbeispiel für Opportunismus. Auf Sangiualianos Anregung gab es in Schmidts Uffizien eine Ausstellung zu italienischen Zeitschriften aus dem frühen 20. Jahrhundert. Mit dabei ein Aufsatz von Mussolini. Aber, das ist Schmidt wichtig, als der Duce noch Sozialist war. Solches Rumgedruckse kann man schon revisionistisch heißen.
Ob er mit dem Traumjob in Neapel seine politischen Pläne ruhen lässt, ist überhaupt nicht sicher. Bereits 2019 hat er kurzfristig abgesagt, in Wien das Kunsthistorische Museum zu übernehmen. In Neapel tritt er die Stelle im Januar an, die Wahlen fürs höchste Amt der Stadt sind in Florenz erst kommenden Sommer. Im Verlauf des Januars werden wir dann wohl erfahren, ob sich ein deutscher Museumsmann mithilfe von Postfaschisten zum Bürgermeister wählen lassen will.
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