Rückkehrer-Messe in Guben: Zukunft in der alten Heimat

Brandenburg sucht Arbeitskräfte und bietet Arbeitsstellen, Wohnungen und Kitaplätze

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Bifi, die kleine Salami, hat ihren Ursprung 1972 im fränkischen Ansbach. Ab der zweiten Jahreshälfte 2024 sollen diese Salami und ähnliche Wurstwaren auch im brandenburgischen Guben hergestellt werden. Im November 2022 startete der Bau der Produktionsstätte, am 19. Januar soll Richtfest gefeiert werden. Knapp 80 Beschäftigte werden für den ersten ostdeutschen Bifi-Standort eingestellt. »Tatsächlich suchen wir ab sofort Mitarbeiter«, erklärt Standortleiter Georg Klein am Mittwoch.

Auch wenn er da zuversichtlich ist, da die Jobs attraktiv seien – inzwischen ist es in Ostdeutschland und speziell in Guben nicht mehr so einfach, Personal zu finden. Das war in den 1990er Jahren noch anders. In Guben brach damals die Textilindustrie zusammen. Es herrschte Massenarbeitslosigkeit. Wer sich noch nicht zu alt für einen Neuanfang in der Fremde fühlte, ging in den Westen. Von einst 33 000 Einwohnern sind gerade einmal 16 400 übrig.

Jetzt werden Arbeitskräfte gesucht. Neben Bifi siedelt sich Rock Tech an, ein Chemiebetrieb, der Lithiumhydroxid für Batterien erzeugt. Aber auch Alteingesessene suchen Personal: Mindestens eine Pflegekraft braucht beispielsweise die gemeinnützige Gubener Sozialwerke GmbH, deren Anfänge bis ins Jahr 1959 zurückreichen, als in der Stadt »eins der ersten Feierabendheime der DDR errichtet wurde«, wie es stolz in der Stellenausschreibung heißt. Der Gerüstbau Gunnar Greilich sucht einen Gerüstbauer, die Bäckerei Dreißig einen Bäcker, die Firma Ritter Starkstromtechnik einen Elektriker, die Volksbank einen Bankkaufmann, die Wohnungsbaugesellschaft einen Finanzbuchhalter und das evangelische Naëmi-Wilke-Stift, ein Krankenhaus mit 161 Betten, einen Assistenzarzt und außerdem einen Maler oder Trockenbauer für seine Reparaturbrigade.

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Diese und andere Stellenangebote hängen am Mittwoch im Eingangsbereich der Alten Färberei von Guben aus. Von 10 bis 13 Uhr präsentieren sich Unternehmen und Institutionen, die Stellen frei haben für ehemalige Einwohner, die einst wegen Perspektivlosigkeit weggezogen sind und jetzt zu Weihnachten ihre zurückgebliebenen Angehörigen besuchen. Die Gelegenheit, solche Menschen anzusprechen und zur Rückkehr zu bewegen, ist günstig. Schon den sechsten Rückkehrer-Tag organisiert die Willkommensagentur »Guben tut gut« in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist »von Kindesbeinen an oft in Guben gewesen«, wie er sagt. Der Politiker wuchs nicht weit weg auf einem Bauernhof in der Nähe von Forst auf. Zuletzt kam er immer wieder nach Guben, um Investoren wie Rock Tech beim ersten Spatenstich für ihre Ansiedlung zu begrüßen. Bürgermeister Fred Mahro (CDU) hofft, dass der Besuch von Dietmar Woidke beim Rückkehrer-Tag der Auftakt sein möge für weitere gute Nachrichten.

»Guben ist eine Stadt im Aufbruch. Guben ist eine Stadt mit Zukunft«, schwärmt Woidke. Neben den Maschinen, die kommen, brauche es aber auch die Menschen, die diese Maschinen bedienen. Arbeitskräfte anzuwerben, sei eine Herausforderung, aber auch viel schöner als die Zeit vor 30 Jahren, als die Menschen fortgingen, weil ihnen kaum etwas anderes übrig blieb. Das war deprimierend.

Rückkehrer-Tage gebe es auch in anderen Lausitzer Städten wie Cottbus und Senftenberg, erläutert Susanne Tannert, die in der Potsdamer Staatskanzlei damit befasste Referentin. Aus Mecklenburg stammend, ist sie selbst nach Jahren im Ausland, unter anderem in Belgien, nach Ostdeutschland heimgekommen. Wie viele Brandenburger es genauso gemacht haben, wird sie oft gefragt, vermag das aber nicht zu sagen. Es gibt dazu keine Statistik. Sie wisse, was Rückkehrer benötigen, versichert Tannert. Neben einem Arbeitsplatz sind das eine bezahlbare Wohnung und Kitaplätze für die Kinder. Die sind in Guben leichter zu bekommen als in Berlin. Die Willkommensagentur kann das vermitteln. Dem Maler, der sich beim Naëmi-Wilke-Stift bewirbt, winken nicht nur eine Festanstellung und 30 Tage Urlaub im Jahr, er könnte sein Kind in der Betriebskita betreuen lassen. Wer als Haustechniker oder als Präparator von Leichen bei der Gubener Plastinate GmbH anfängt, dürfte die ersten sechs Monate mietfrei in einer Firmenunterkunft wohnen.

»Hier wird nicht nur für interessante Jobs geworben, sondern das soziale Umfeld gleich mitgedacht«, lobt Ministerpräsident Woidke die Bemühungen von Stadt, Wohnungsgesellschaft und Tourismusverein um Rückkehrer. Dass die Bemühungen nicht vergeblich sind, bestätigt Schulrat Frank Nedoma. Beim Rückkehrer-Tag 2019 sei er mit einer ehemaligen Gubenerin ins Gespräch gekommen, die als Lehrerin in Berlin arbeitete. Inzwischen unterrichte die Frau in Guben und ihr Mann sei als Seiteneinsteiger ebenfalls in den Schuldienst getreten. Es werden in der Lausitz noch mehr Kollegen gesucht, besonders in den Landkreisen Spree-Neiße und Elbe-Elster. »Rund 70 Stellen sind offen, wenn das reicht«, sagt Nedoma für das Staatliche Schulamt Cottbus, dessen Wirkungsbereich sich bis nach Königs Wusterhausen am Stadtrand von Berlin erstreckt.

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