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Die Langsam-Einpacker e.V.

Andreas Koristka freut sich über eine neue Form des antikapitalistischen Widerstands

In einer Welt, die immer hektischer wird, gibt es nur wenige Gewissheiten, an die man sich klammern kann. Deshalb tut es gut, wenn man sieht, dass Menschen aufbegehren und aus den kapitalistischen Zwängen ausbrechen. Überall in Deutschland wächst dieser Tage eine Bewegung, die das Einkaufen überall in den Supermärkten bremsen möchte. Ihr Erkennungszeichen: eine unerhörte, beinahe entrückte Gelassenheit an der Kasse.

Das Schöne ist: Jeder kann mittun! Man braucht nicht dafür viel außer ein wenig Zeit und die Lust darauf, ein paar Waren des täglichen Bedarfs auf das Förderband vor der Kasse zu legen. Sobald der Kassierer oder die Kassiererin damit beginnt, den Kloreiniger, die Bananen und das Glas Schweinskopfsülze mit flinken Fingern über den Scanner hinüberzupiepsen, ist der Moment für den großen Auftritt des Langsam-Einpackers gekommen!

Wie jede gute Inszenierung beginnt auch diese mit der Ruhe vor dem Sturm: Man sieht zunächst regungslos zu, wie die Artikel sich am kurzen Ende hinter der Kasse türmen oder in die Artikelauffangstation ergießen. Fordert das Personal freundlich dazu auf, die Rechnung zu begleichen, kann die politische Aktion beginnen. Nach einem kurzen Augenblick gespielter Überraschung fängt der Langsam-Einpack-Aktivist in aller Ruhe an, das Portemonnaie auszupacken.

Andreas Koristka

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift "Eulenspiegel". Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Damit dies in der nötigen Verlangsamung geschieht, hat man den Geldbeutel vorher ganz unten in einem möglichst kompliziert zu öffnenden Rucksack verstaut, der über mehrere Schließmechanismen und nach Möglichkeit über viele Innentaschen verfügt. Besonders ratsam ist es, diese Taschen mit weiterem Klimbim zu füllen, der nun »versehentlich« in alle Richtungen herunterfällt und den man (in aller Ruhe!) mühsam wieder zusammensuchen muss. Für diesen Zweck sind alte, zusammengestopfte Einkaufstüten besonders gut geeignet, die beinah eruptiv aus dem Rucksack hervorschießen. Man kann aber auch Styroporkügelchen verwenden.

Vor dem Bezahlen muss dann noch die Payback-Karte gefunden werden, die man wohlweislich in einem zweiten Portemonnaie verstaut hat, das sich in einem anderen Fach des zugemüllten Rucksacks versteckt hält. Glaubt man jedenfalls, doch nach gefühlten fünf Minuten konzentrierter Sucherei findet man es in der linken Jackeninnentasche und nestelt die Payback-Karte mit ungelenken Fingern heraus. Bei all diesen Maßnahmen ist es wichtig, jede Bewegung so aussehen zu lassen, als würde man sie zum ersten Mal in seinem Leben ausführen.

Sind die Waren wider Erwarten schließlich doch bezahlt, kommt der Showdown: das Einpacken. An manchen Kassen gibt es Warentrenner, damit der nächste Kunde unterdessen schon abkassiert werden kann. Damit das nicht einfach so passieren kann, muss man seinen Körper derart in den Kassengang platzieren, dass der Hintermann seine Einkäufe nicht erreichen kann. Bittet er höflich darum, durchgelassen zu werden, hilft es meist, sich taubzustellen. Damit dies gelingt, führt man am besten ein lautes Handygespräch über Kopfhörer.

Die Langsam-Einpacker sind schon jetzt eine mächtige Bewegung. Wenn noch mehr Menschen bei ihnen mittun, dann können sie der Marktwirtschaft, die bekanntlich vom Kaufen und Verkaufen lebt, nicht nur einen Streich spielen. Es geht um mehr: um den Kapitalismus. Falls Sie noch keinen guten Vorsatz fürs neue Jahr haben: Nehmen Sie sich vor, sich den Langsam-Einpackern anzuschließen. So können Sie den Kapitalismus in seine Schranken weisen. Zumindest in seine Bezahlschranken.

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