- Wirtschaft und Umwelt
- Gesundheitsberufe
Erste Arztassistenten einsatzbereit
Ein neuer medizinischer Beruf könnte Ärzte in Praxen und Krankenhäusern entlasten
Der Mangel an Hausärzten wird sich absehbar verschärfen, weil viele Vertreter des Fachs in Rente gehen. In anderen medizinischen Fachrichtungen sieht es nicht viel besser aus. Zur Lösung des Problems beitragen könnten Physician Assistants (PA). Obwohl es für diesen neuen Beruf schon Ausbildungsgänge in Deutschland gibt, machte sich noch niemand die Mühe, einen passenden deutschen Begriff zu finden. »Ärztliche Assistenten« wäre eine mögliche Variante.
Ungeachtet der englischen Bezeichnung wird der Beruf hierzulande jedoch immer wieder etwa auf Informationsveranstaltungen der ausbildenden Hochschulen vorgestellt. Der Physician Assistant ist ein akademisierter medizinischer Assistenzberuf. Den Absolventinnen und Absolventen des Bachelor-Studiengangs werden ärztliche Aufgaben delegiert, sie sollen die Mediziner unterstützen und entlasten. Vor allem in angelsächsischen Ländern, darunter den USA, ist der Beruf an der Schnittstelle zwischen Arzt, Pflegekraft und Patienten schon lange etabliert. Zu den Aufgaben der Assistenten gehören Vorgespräche zur Patientenaufklärung, die Erhebung der Krankheitsgeschichte (Anamnese), die Dokumentation und bestimmte Untersuchungen.
In Deutschland ist aktuell eine abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf Zugangsvoraussetzung für das Studium. Das betrifft also Medizinische Fachangestellte (MFA, früher Arzthelferinnen genannt), Rettungsassistenten und Notfallsanitäter sowie Gesundheits- und Krankenpflegekräfte. Das Studium selbst dauert berufsbegleitend drei Jahre und endet mit einem Bachelor of Science.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants (DGPA) wird das Studium an insgesamt 22 Hochschulen angeboten, teils haben diese mehrere Standorte. Von diesen Hochschulen sind zwölf privat und erheben Studiengebühren von etwa 600 Euro pro Monat. Dafür mussen die Studierenden in der Regel selbst aufkommen. Das Studium dauert zwischen sechs und acht Semestern. Auch ein Masterstudiengang ist möglich, in diesem könnte es speziell unter anderem um Krisen- und Notfallmanagement, öffentliche Gesundheit oder Schmerzmanagement gehen.
So interessant diese Aussichten für Menschen im Gesundheitswesen sein können, so schwierig ist es, reguläre Stellen für die Bachelor-Absolventen zu finden. Weder in das ambulante noch in das stationäre Versorgungssystem ist der Beruf bisher wirklich integriert. Laut der DGPA gab es Ende 2022 bundesweit 1500 PA, im November 2023 studierten 3500 Menschen das Fach.
Vor allem niedergelassene Ärzte sind daran interessiert, eine solche Ausbildung zu fördern, da sie auf diese Weise die MFA halten und an ihre Praxis binden können und sich zugleich qualifizierte Unterstützung sichern. Regional gibt es bereits hier und da Fördermöglichkeiten, etwa mit einem Stipendium der AOK Baden-Württemberg, durch das Ärztenetz Mednet Borken und Umgebung im Münsterland sowie durch den Landkreis Emsland.
Das Studium zu finanzieren, ist jedoch für Interessenten nur die erste Hürde. Als Einstiegsgehalt erwarten die PA für eine Vollzeitstelle zwischen 3500 und 4500 Euro im Monat. Laut einer Umfrage wären aber nur acht Prozent der Hausärzte bereit, mehr als 4000 Euro zu zahlen. Eine Mehrheit von ihnen meint, sich PA nicht leisten zu können.
Zu den ungeklärten Finanzierungsmöglichkeiten der PA-Stellen kommt ein weiterer Punkt, der die Integration erschwert: Der Widerstand großer Teile der Ärzteschaft gegen die Delegierung von Aufgaben. Beschlüsse der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung legen fest, dass auch gegenüber den PA die medizinische Weisungbefugnis bei den Ärzten bleiben muss – zumindest was den Einsatz im Krankenhaus betrifft. Die Ärzte fürchten zudem, dass die PA-Beschäftigung für die Kliniken so attraktiv werden könnte, dass sie die Weiterbildung der Ärzte beeinträchtigen würde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.