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Jahr der Wahrheit für Kardinal Woelki

Gegen den Kleriker stehen viele Vorwürfe weiter im Raum. Täterschutz im Missbrauchsskandal ist nur einer davon

  • Christoph Driessen
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Stunden hatte Kardinal Rainer Maria Woelki im vergangenen Jahr vor Gericht Auskunft gegeben, als er gefragt wurde, ob er bereit sei, seine Aussage zu beeiden. Der Kirchenmann bejahte. Ein kurzer Moment der Heiterkeit folgte, als der Vorsitzende Richter bemerkte, die Frage, ob der Eid mit oder ohne Gottesformel geleistet werden solle, könne er sich wohl sparen. Woelki stand sodann auf und erklärte: »Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!«

Damit war alles Gesagte beeidet. Und das, obwohl man im Prozess durchaus den Eindruck gewinnen konnte, dass der Chef des größten deutschen Bistums mit einer gewissen Lässigkeit Antworten gab. Prompt geschah, was viele vermutet hatten: Woelki wurde angezeigt, falsche Aussagen gemacht zu haben. Daraufhin weitete die Staatsanwaltschaft ihre seit November 2022 laufenden Ermittlungen gegen ihn aus. Nunmehr wurde nicht nur der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides statt geprüft, sondern auch der des Meineids. Woelki selbst sieht sich zu Unrecht beschuldigt: »Ich werde garantiert nicht hingehen und als Bischof einen Meineid leisten«, beteuerte er 2022 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Im Juni 2023 durchsuchte die Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen sogar Woelkis Wohnsitz, das Erzbischöfliche Haus in der Kölner Innenstadt, und beschlagnahmte jede Menge Daten. Deren Auswertung dauert an. Laut Staatsanwaltschaft werden sich die Ermittlungen noch mehrere Monate hinziehen.

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Im Kern geht es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt Woelki über Missbrauchsvorwürfe gegen Priester informiert war. Der Kardinal hatte ursprünglich selbst den Rechtsweg beschritten, um sich gegen Berichte von »Bild« zu wehren. Mit seinen Klagen konnte er sich mehrfach durchsetzen, doch zogen die zivilrechtlichen Verfahren strafrechtliche Untersuchungen der Staatsanwaltschaft nach sich. Denn Woelkis eidesstattliche Angaben blieben nicht in allen Punkten unwidersprochen. So erklärte eine ehemalige Beschäftigte des Erzbistums in einem Interview im »Kölner Stadt-Anzeiger«, sie habe es »nicht mehr ausgehalten (...), Dinge aus erster Hand zu wissen, die den öffentlichen Aussagen von Kardinal Woelki widersprechen«.

Im gerade begonnenen Jahr wird sich für Woelki manche Gelegenheit zur Rückschau auf sein eigenes Wirken geben, denn im September wird es zehn Jahre her sein, seit er im Kölner Dom feierlich in sein Amt eingeführt wurde. Nach 25 Jahren unter dem erzkonservativen Kardinal Joachim Meisner hofften viele im Bistum auf einen Neuanfang. Sylvia Löhrmann, Grünen-Politikerin, Katholikin und damals Vizeministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, sagte im Festgottesdienst, Woelki passe »zu einer neuen modernen katholischen Kirche«. Sie denke dabei unter anderem an die Rolle der Frau in der Kirche und an alternative Partnerschaftsformen.

Das stellte sich jedoch als reines Wunschdenken heraus. Woelki wandte sich gegen jede Liberalisierung, von der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene über Segnungen homosexueller Paare bis zum Erneuerungsprozess Synodaler Weg. Kritik perlte an ihm ab. »Es gibt Menschen, auf die man wie auf ein totes Pferd einreden kann«, seufzte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing. Der Limburger Bischof wirft Woelki vor, »die Akzeptanz der Leute verloren« zu haben.

Woelki selbst verweist darauf, dass er auch viel Zuspruch bekomme. Öffentlich sichtbar sind allerdings eher seine Kritiker: Gemeindemitglieder, die Woelki die Rote Karte zeigen, Messdiener, die ihm demonstrativ den Rücken zukehren. Papst Franziskus bescheinigte ihm 2021 zwar »große Fehler« und verordnete ihm eine mehrmonatige Auszeit. Über Woelkis Angebot eines Amtsverzichts vom März 2022 hat der Pontifex allerdings bis heute nicht entschieden.

2024 dürfte sich nun auf andere Weise entscheiden, wie es mit Woelki weitergeht: Sollten die Ermittlungen in eine Anklage münden, müsste er sich vor Gericht verantworten und sogar eine Haftstrafe befürchten. Werden sie dagegen eingestellt, könnte der heute 67-Jährige noch acht Jahre weitermachen. Erst mit 75 Jahren bittet ein katholischer Bischof für gewöhnlich den Papst um seine Entlassung in den Ruhestand. dpa/nd

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