Tesla in Grünheide: Kampf um die Gunst der Nachbarschaft

Gemeindevertretung will Einwohnerbefragung zur Erweiterung des Gigafabrikgeländes und einhergehender Waldrodung durchführen

»Ich find’s scheiße. Man kann nicht einfach den Wald abholzen und abholzen und es kommt nichts nach.« Sören Michele wohnt im Ort Hangelsberg in der Gemeinde Grünheide (Landkreis Oder-Spree) und echauffiert sich über die Erweiterungspläne des US-Elektroautoherstellers Tesla, der seinem Fabrikgelände über 100 Hektar Waldfläche hinzufügen will. Der in einem Landschaftsschutzgebiet gelegene Wald soll in eine Industrie- und Gewerbefläche umgewandelt und dann gerodet werden. Tesla möchte dort Logistik- und Sevicegebäude, eine Kita und einen Güterbahnhof errichten. Den entsprechenden Bebauungsplan 60 muss die Gemeinde Grünheide allerdings genehmigen und plant, im Januar und Februar eine Einwohnerbefragung durchzuführen.

Um die Anwohner*innen Grünheides von ihrem Vorhaben zu überzeugen, reisen Tesla-Mitarbeiter*innen nun von Ort zu Ort. An diesem Mittwoch fand die von Tesla so genannte »Roadshow« in Hangelsberg statt: Auf dem Parkplatz in der Ortsmitte, umgeben von Supermarkt, Kantine, Sparkassenautomat und Gesundheitszentrum, steht ein Tesla-Auto mit der Aufschrift »We are – Giga – the future« (Wir sind – Giga – die Zukunft). Dort stellen sich drei Mitarbeiter*innen den Fragen der Bürger*innen.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Die Anwohner*innen stellen viele und teils kritische Fragen an die Mitarbeiter*innen und diskutieren auch untereinander kontrovers über den Ausbau der Gigafabrik. »Das ist schon eine drastische Umwälzung, die hier in der Region passiert«, sagt Marten Lange-Siebenthaler zu »nd«. Er ist Mitglied im Ortsbeirat Hangelsberg für das Bürgerbündnis Grünheide und bei Naturschutzverbänden aktiv. Ihn beschäftigen besonders die ökologischen Folgen, wenn Wälder gerodet, Biotop-Verbünde zerschnitten und große Flächen versiegelt werden, wenn mehr Verkehr über die Straßen rollt und der Wasserverbrauch insbesondere durch Tesla sowie diverse Folgevorhaben steigt. »Das ist aus diesem Blickwinkel betrachtet in Summe für die Region eine Katastrophe«, sagt Lange-Siebenthaler. Der schon bestehende Bebauungsplan 13, durch den sich das Tesla-Werk bereits auf über 300 Hektar entwickle, müsse reichen. »Eine nochmalige Erweiterung der Fabrik auf weiteren über 100 Hektar Waldfläche ist weder notwendig noch tragbar.«

Die Anwohner*innen der Gemeinde Grünheide seien keineswegs alle einverstanden mit der aktuell geplanten Erweiterung und der damit einhergehenden Waldrodung. Deshalb führe die Gemeinde Grünheide nun die Einwohnerbefragung durch, bevor sie über den Bebbauungsplan 60 entscheidet. »Die Gemeinde hat erkannt, dass es viele Bedenken in der Bevölkerung gibt«, sagt das Hangelsberger Ortsbeiratsmitglied. Rechtlich bindend ist das Ergebnis der Befragung dann zwar nicht, aber Lange-Siebenthaler ist überzeugt, dass die Gemeindevertretung gemäß dem Willen der Anwohner*innen entscheiden wird.

Auch die Vorsitzende der Gemeindevertretung Grünheide, Pamela Eichmann (SPD-Freiwillige Feuerwehr-ALG-Freie Wählergemeinschaft-Fraktion), rechnet gegenüber »nd« damit, dass die Gemeindevertretung gemäß dem Votum der Bürger*innen entscheiden wird. Ab dem 15. Januar bis zum 16. Februar könnten 7660 Einwohner*innen für oder gegen die Umwandlung der Waldfläche in eine Industriefläche stimmen, ausgezählt werde am 20. Februar.

Dass es in der Bevölkerung viele verschiedene Meinungen zur Tesla-Erweiterung gibt, zeigt sich wähernd der »Roadshow« in Hangelsberg. Sören Michele kritisiert die Waldrodungspläne, der Hangelsberger Bernd Rühl hingegen sieht in der Ansiedlung Teslas und den Erweiterungsplänen eine »große Chance« für die Gemeinde und den Ort. »Für die Umwelt ist es gut, wenn Elektroautos sich verbreiten. Und irgendwo müssen die ja gebaut werden«, sagt er zu »nd«. Klar bedaure er, dass dafür Wald gerodet werden müsse. Aber die Aufforstungsprojekte von Tesla hält er für mehr als ausreichend, um das zu kompensieren. »Ich höre von der Gegenseite immer nur Befürchtungen, was in der Zukunft sein könnte. Aber ich schaue lieber darauf, was jetzt schon geschafft wurde. Und Tesla hat zum Beispiel viele Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze geschaffen«, so Rühl.

Zwei andere Anwohner*innen wollen sich auf keine Seite schlagen. Sie finden die gesamte Situation mit Tesla und den Erweiterungsplänen sehr schwierig. »Dass Tesla erweitern muss, war absehbar. Mit der Grundsatzentscheidung für das Werk war klar, dass auch Infrastruktur hinkommen muss«, sagt einer der beiden zu »nd«. Trotzdem: Begeistert sind die beiden nicht. »Wir sehen mit Erschrecken, wie der Wald immer kleiner und Tesla immer größer wird«, sagt seine Begleiterin.

Um die Bewohner*innen der Gemeinde Grünheide doch noch hinter sich zu bringen, findet Teslas Werbetour nach Grünheide, Hangelsberg, Mönchwinkel und Kienbaum zum Schluss am Freitag in Kagel statt. Außerdem lädt Tesla am 14. Januar zu einer Infoveranstaltung auf dem eigenen Fabrikgelände ein. Ob die Öffentlichkeits-Offensive bei den Anwohner*innen Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Zumindest am Montag und am Dienstag stießen die Tesla-Mitarbeiter*innen auf viele kritische Einwände aus der Anwohner*innenschaft. Auch die Bürgerinitiative Grünheide und das Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« kämpfen gegen die Erweiterung und veranstalten monatliche Spaziergänge im gefährdeten Waldgebiet zur Tesla-Fabrik, etwa am 13. Januar und am 17. Februar.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.