Große Reden schwingen bei den Bauern

Brandenburgs Linke wirft dem Ministerpräsidenten eine demokratiegefährdende Schauspielerei vor

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter warf Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Dienstag Unehrlichkeit vor und letztlich, der Demokratie einen schlechten Dienst zu erweisen. Es genüge nicht, mit Verweis auf den Bund vor protestierenden Bauern »große Reden zu schwingen«. Das sei ein »Schauspiel«, mit dem Woidke seine Ignoranz tarne. Das könnten immer weniger Menschen noch ernst nehmen.

Die Besteuerung von Agrardiesel sei nur ein Aspekt. »Menschen müssen inzwischen 40 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Die Abgaben für Netzentgelte werden den Strom noch einmal um mehrere Cent pro Kilowattstunde verteuern«, sagte Walter. Dietmar Woidke habe vor einigen Tagen der Bundesregierung vorgeworfen, ein »die Demokratie zersetzendes« Bild abzugeben. Aber Walter meint: »Eine Gefahr für die Demokratie sind Politiker, die ein falsches Spiel spielen.« Mit einem »landeseigenen Klimageld« könne die Landesregierung beweisen, dass sie die Sorgen der Menschen ernst nehme.

Auf die Frage, ob die enormen Zuwächse von durchschnittlich 40 Prozent für Agrarbetriebe in den vergangenen zwei Jahren nicht bei der Bewertung einbezogen werden müssten, sagte Walter, er kenne keinen bäuerlichen Betrieb, der auf eine solche Entwicklung verweisen könne.

Der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) stellte einen Antrag seiner Fraktion vor, in dem ein »Agrargipfel« gefordert wird. Die Landesregierung wird darin aufgefordert, sich auf der Bundesebene für die vollständige Rücknahme der Streichung von Agrardiesel-Beihilfen einzusetzen. Außerdem sollen die Bauern durch ein Agrarstrukturgesetz vor fantastisch gestiegenen Pacht- und Kaufpreisen geschützt werden. Zur Düngestrategie und zur Entbürokratisierung habe der Landtag der Regierung eine Reihe von »Hausaufgaben« gegeben, die noch nicht erledigt seien.

Aus Sicht der Freien Wähler sind Diesel- und Kfz-Steuern nur eine Seite des Problems. Die Abgeordnete Christine Wernicke protestierte gegen eine »zunehmende Überregulierung«, mit der die Landwirte kaum noch umgehen könnten. Unverständnis herrsche wegen der Vorschriften zum Schutz von Kormoran und Wolf, zur Düngung, zur Gülle, zum Pflanzenschutz und zu vielem anderen. Die Landwirte fühlten sich gegängelt. »Als wüsste der Bauer nicht selbst, was seiner Arbeit guttut. Als würde er nicht selbst alles vermeiden, was seiner Existenzgrundlage schadet«, sagte Wernicke.

Man müsse über die Privilegien beim Agrardiesel »kritisch nachdenken«, meinte der SPD-Abgeordnete Johannes Funke. Hier eine Absenkung über 10 oder 20 Jahre anzusteuern, wäre sinnvoll und würde für die Betriebe Planbarkeit bedeuten. Man dürfe sich nicht täuschen lassen. Im Coronajahr 2021 standen regionale Agrarerzeugnisse bei den Kunden hoch im Kurs; die Blockade von Schiffen mit Getreide in der ukrainischen Hafenstadt Odessa habe 2022 weltweit die Preise stark steigen lassen. Nun aber sei das vorbei, und die Kosten, vor allem Personalkosten, für die Bauern seien enorm gestiegen. Das mache die Lage aktuell sehr kompliziert.

Die Grünen beklagten, dass »an vielen Stellen politische Mitläufer« den Bauernprotesten das Gepräge gegeben hätten, stellenweise auch mit »verfassungsfeindlichen Symbolen«. Es sei extrem problematisch, wenn »Galgen in Vorgärten stehen«, sagte Fraktionschef Benjamin Raschke.

Den Landwirten »steht das Wasser bis zum Hals«, so der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Christian Görke, der sich am Freitag bei einer Agrargenossenschaft in Gülpe informiert hatte. »Der überfallartige Kürzungshammer der Ampel ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, auch wenn er jetzt teilweise zurückgenommen wurde.«

Die reichsten Deutschen seien die Inhaber der Lebensmittelketten Aldi, Lidl und Co., die den Bauern mit ihrer Marktmacht Preise diktieren und fette Übergewinne einstreichen. Wenn Geld fehlt, solle es sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dort holen, anstatt die Bauern auszupressen. Görke rechnete vor, dass die Landwirte 47 Cent Mineralölsteuer je Liter Diesel bezahlen und davon 21 Cent rückerstattet bekommen. Effektiv zahlen sie also knapp 26 Cent Mineralölsteuer je Liter.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -