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Die Linke kommt nicht zur Ruhe
Zu Beginn des Wahljahres 2024 verliert die Partei ihren Wahlkampfchef
Er ist ein Mann der leisen Worte, kein Kampfredner. Um so bemerkenswerter ist die Deutlichkeit, mit der Tobias Bank, seit Sommer 2022 Bundesgeschäftsführer der Linken, nun die Parteiführung in seiner Rücktrittserklärung öffentlich kritisiert. Der 38-Jährige konstatiert, dass die große Mehrheit des Parteivorstands ihn nicht gewollt habe. Bank, bis dahin Mitarbeiter der Linke-Bundestagsfraktion, war auf dem Erfurter Parteitag 2022 als Außenseiter ins Rennen gegangen und hatte sich bei der Wahl des Bundesgeschäftsführers gegen Janis Ehling durchgesetzt, den die Parteispitze lieber gesehen hätte.
Noch im November leitete Bank beim Augsburger Parteitag die Tagung, auf der nach dem Austritt der Wagenknecht-Gruppe ein Aufbruch zelebriert wurde. Ein Aufbruch in eine Zeit ohne andauernde Flügelkämpfe und in ein Wahljahr, in dem man die Serie der Niederlagen beenden will. Nun, wenig später, beklagt Bank in seiner Rücktrittserklärung einen »fragwürdigen aktuellen Kurs, fast alles auf Bewegungen außerhalb von Parlamenten und auf städtische Milieus zu konzentrieren und Wahlergebnisse scheinbar nicht mehr als Maßstab für politischen Erfolg zu sehen«.
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Wie passt das zusammen? Wenn Wahlergebnisse ein Maßstab wären – warum wurden dann keine politischen Schlussfolgerungen aus dem Beinahe-Scheitern bei der Bundestagswahl 2021 gezogen, fragt Bank im Gespräch mit »nd«. Seiner Ansicht nach war es ein Fehler, damals auf Rot-Rot-Grün zu setzen; man müsse auch analysieren, ob Die Linke die richtigen Themen hatte. Ebenso fehle eine Analyse der schlechten Ergebnisse bei den letzten Landtagswahlen im Westen. Er habe den Eindruck, nicht wenigen im Linke-Vorstand sei es wichtiger, dass die Partei in Bewegungen vertreten und auf Demonstrationen mit ein paar Fahnen zu sehen sei.
Genau solche Ursachenanalysen vorzulegen wäre Aufgabe des Bundesgeschäftsführers, der auch Wahlkampfchef der Partei ist, sagt Katina Schubert auf nd-Anfrage. Schubert, stellvertretende Parteivorsitzende, übernimmt vorerst gemeinsam mit Parteivize Ates Gürpinar die Geschäftsführung. Für sie kommt Banks Rücktritt völlig überraschend, seine Kritik hält sie für vorgeschoben, »sie entbehrt jeder Grundlage«. Bank sei Teil der engsten Parteiführung gewesen und hätte seine Kritik dort vortragen müssen.
Das habe er getan, sagt Bank, aber die beiden Vorsitzenden hätten ihm nicht zugehört, auf Vorschläge nicht reagiert. Die im Vorstand mehrheitlich vertretene Bewegungslinke wolle »alle, die nicht ihrer Meinung sind, diskreditieren«, so Bank gegenüber »nd«. Unter diesen Bedingungen wolle er nicht weiter »Feigenblatt eines vermeintlichen Meinungspluralismus sein«, schreibt er in seiner Rücktrittserklärung.
Ob Bank das will oder nicht – sein Rückzug und seine Kritik fallen mitten in die Debatte über die Abnabelung von Sahra Wagenknecht und die Gründung ihrer Partei BSW. »Das klingt nach Kapitulation. Einige in meiner Ex-Partei haben sich offenbar zu Tode gesiegt«, kommentierte etwa Wagenknecht-Mitstreiter Fabio De Masi spöttisch Banks Rücktritt. Obwohl dessen Kritik manchen Punkten Wagenknechts nahekommt, will er in der Linken bleiben. Demnächst tritt er einen Verwaltungsjob in Brandenburg an, um den er sich kürzlich beworben hat. In den anstehenden Wahlkämpfen will er Die Linke unterstützen.
Wie geht es nun weiter? Die Linke-Spitze ging in die Offensive, machte am Mittwochnachmittag den Vorgang öffentlich und benannte zwei kommissarische Nachfolger. Zeit zu verlieren hat sie nicht. An diesem Wochenende findet der politische Jahresauftakt mit einer Erneuerungskonferenz statt, dann kommt der Europawahlkampf. Katina Schubert sieht die von Bank beschriebene Konfrontation im Parteivorstand nicht. »Wir sind eine plurale Linke und auch wenn ich hundert Prozent Reformerin bin, werde ich wie bisher unsere Partei im Ganzen vertreten. Für die Partei ist es lebensnotwendig mit Bewegungen, Gewerkschaften und Verbänden zusammenzuarbeiten«, sagt sie gegenüber »nd«. Die Linke bleibe auch nach dem Weggang von Wagenknecht eine diskussionsfreudige Partei, in der es weiter unterschiedliche Positionen – aber eben auch einen gemeinsamen Grundkonsens geben wird.
Angesichts der anstehenden Wahlen plädiert Schubert dafür, »sich auf das Gemeinsame zu konzentrieren«. Die Linke sei anders als das BSW die linke Opposition gegen die Ampel. Die jüngsten Enthüllungen zu rechtsradikalen Netzwerken zeigten, »dass wir in einer schwierigen gesellschaftlichen Situation sind«. Die Linke sei Teil eines gesellschaftlichen Bollwerks gegen den Rechtsruck, bei den Wahlen 2024 von der EU bis zu den Kommunen gehe es um die Verteidigung der Demokratie. Nebenbei geht es auch um die Existenz der Linken.
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