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SEZ in Berlin: Todesurteil auf der Probe

Mit dem SEZ will Berlins Senat DDR-Kulturgut abreißen – doch Zivilgesellschaft, Opposition und Bezirk halten dagegen

Feuchtfröhliche Vergangenheit: Berliner*innen planschen 1988 im SEZ unter freiem Himmel.
Feuchtfröhliche Vergangenheit: Berliner*innen planschen 1988 im SEZ unter freiem Himmel.

Schwimmen, bowlen, tanzen, Rollschuh laufen oder sich doch nur schnell die Haare schneiden lassen? Wer das Sport- und Erholungszentrum, kurz SEZ, zu DDR-Zeiten besuchte, hatte die Wahl aus einem bemerkenswerten Freizeitangebot. Doch was 1981 als Vorzeigeprojekt gestartet war, wurde dem Berliner Senat nach der Wende zu teuer. Dem Verkauf an Investor Rainer Löhnitz im Jahr 2003 folgten Jahrzehnte ohne Lösung für das Grundstück. Voraussichtlich wird es nach einem jahrelangen Rechtsstreit an das Land Berlin zurückgehen.

Nun sollen die Tage des SEZ endgültig gezählt sein. »Es steht fest: Berliner Senat wird das SEZ abreißen«, titelt beispielsweise der »Berliner Kurier«. Auslöser ist die jüngste Antwort der Senatsfinanzverwaltung auf eine schriftliche Anfrage des Linke-Abgeordneten Damiano Valgolio. Dort heißt es: »Die Umsetzung des Bebauungsplans wird den Abriss des gesamten Gebäudebestands erfordern.« Aufgestellt wurde der entsprechende und nach wie vor aktuelle B-Plan 2018, damals noch unter Rot-Rot-Grün.

»Wenn es so einfach wäre, hätte das SEZ schon längst abgerissen werden müssen«, entgegnet allerdings Valgolio. Gegenüber »nd« weist der Linke-Politiker darauf hin, dass der Bebauungsplan einer Option auf Bestandsschutz grundsätzlich nicht widerspricht. Ein Umstand, den die Finanzverwaltung in ihrer Antwort selbst erwähnt. Dem Senat wirft Valgolio dennoch vor, die Dinge nicht beim Namen zu nennen. »Es ist eine politische Entscheidung, nichts anderes. Das zeugt von Ignoranz gegenüber Angeboten, die vor 1990 im Osten geschaffen wurden.«

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Öffentliche Reaktionen Prominenter sowie zahlreiche Kommentare in den sozialen Medien lesen sich ähnlich. Auch der Berliner Verein Gemeingut in Bürgerinnenhand (GiB), der normalerweise vor Folgen der Privatisierung warnt, kritisiert die Pläne: Über zehn Jahre hätten engagierte Menschen in der Hauptstadt dafür gekämpft, dass das SEZ »aus den Händen eines Pseudoinvestors« gerettet werde. Nun wolle plötzlich auch der Senat das Ensemble abreißen.

Obwohl Berlin wachse, baue das Land die soziale Infrastruktur immer weiter ab, heißt es in der Erklärung des Vereins. Umso nötiger sei das, was das SEZ einst bot: »Spaß statt Adipositas, und zwar für alle, unabhängig vom Geldbeutel.« Zum Erhalt des Freizeitorts hat das GiB eine Petition gestartet, die den Senat zur Sicherung der Bausubstanz und zur Sanierung der Gebäude auffordert. »Eröffnen Sie das SEZ wieder als Sport- und Erholungszentrum für den ganzen Berliner Osten!«

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Bis zuletzt wurde das Gebäudeensemble noch für Veranstaltungen und Dreharbeiten genutzt, sogar ein Nachtclub hat sich an der Landsberger Allee einquartiert. Auch der Linke-Abgeordnete Valgolio ist der Meinung, bevor die Abrissbagger rollten, solle erst einmal die Bausubstanz des SEZ überprüft werden. Die Rückkehr eines Schwimmbads hält der Politiker für unwahrscheinlich, trotzdem müsse die Tradition als Freizeitzentrum erhalten werden. »Wenn der Bestand noch halbwegs in Schuss ist, sehe ich nicht, was einer Bowling- oder Rollschuhbahn im Weg steht«, sagt Valgolio. In der Antwort auf seine Anfrage schließt der Senat einen dauerhaften Sportbetrieb aus. Er verweist auf das Angebot in der rund 650 Meter entfernten Schwimmhalle im Europasportpark.

Auf dem Gelände des SEZ soll stattdessen ein Schulbau mit rund 500 Mietwohnungen entstehen. Wie die Bauverwaltung »nd« mitteilt, würden dabei »gedeckte und ungedeckte Sportanlagen« für die Schule geschaffen. Zudem sehe der Bebauungsplan vor, 30 Prozent der neuen Wohnungen einkommensschwachen Mieter*innen zuzuteilen. Die Planung des Schulstandorts wird der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg übernehmen, die Verwaltung fällt voraussichtlich der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft WBM zu.

Beide Projekte begrüßt Valgolio grundsätzlich, findet aber, dass sie nach Möglichkeit zumindest mit Teilen des Bestands kombiniert werden sollten. »Der Schulneubau wird sich ohnehin auf einem anderen Teil des Grundstücks befinden, das ist kein Problem. Was die Wohnungen angeht, könnten Sport und Freizeit im Erdgeschoss stattfinden.«

Bei der Suche nach künftigen Nutzungskonzepten für das SEZ steht nicht zuletzt eine Bürgerbeteiligung im Raum. Hierfür hatte sich zuletzt Florian Schmidt (Grüne), der zuständige Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, ausgesprochen. Über die Bedeutung des SEZ erwarte er eine spannende Debatte in der Öffentlichkeit. Auf Anfrage von »nd« bestätigt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, dass man sich für den Weg einer »breit angelegten Bürgerbeteiligung« stark machen wolle. Ein Abriss sei weder verpflichtend, noch werde er der baukulturellen und sportpolitischen Bedeutung des SEZ gerecht.

Die Linke wiederum will zusammen mit Anwohner*innen und Mieterbeiräten ein Konzept für eine Zwischennutzung bis zum Umbau erarbeiten und dann dem Senat vorlegen. Darüber, wie sich die Bestandbauten mit den geplanten Bauprojekten vereinbaren ließen, diskutieren Architekt*innen bereits seit Jahren. Im Internet kursieren unter anderem ausgearbeitete Planungskonzepte, mit denen der Charakter des DDR-Baus bewahrt werden soll.

Unter Denkmalschutz wurde das SEZ nie gestellt. Bei einer Prüfung war das Landesdenkmalamt 2013 zu dem Entschluss gekommen, dass hierfür bereits zu viele Umbauten an dem Gebäude stattgefunden hätten. Ben Buschfeld vom Netzwerk Kulturerbenetz Berlin sieht in dem Bau mit Anklängen an die Spätmoderne sowie Hightech- und Pop-Architektur dennoch ein bedeutendes Zeugnis der DDR-Geschichte. Das Landesdenkmalamt habe sicher gute Gründe für seine Einstufung gehabt, so Buschfeld zu »nd«. Das bedeute aber nicht, dass der für die Ostmoderne bedeutende Komplex ohne Not beseitigt werden sollte.

Buschfeld ist ebenfalls der Meinung: »Auf jeden Fall sollten Alternativen zum totalen Abriss durch Menschen mit Bau- und Denkmalexpertise geprüft werden.« Zumindest Teile des SEZ instand zu setzen, würde zudem Ressourcen sparen – auch wenn für Sanierung und Betrieb voraussichtlich hohe Kosten anfallen würden. Aufgrund der derzeitigen Entwicklung hat das Kulturerbenetz das SEZ auf seine Rote Liste bedrohter Kulturgüter gesetzt. Eine Bürgerbeteiligung würde die Initiative laut Buschfeld begrüßen und sich gerne an ihr beteiligen.

Bis sich überhaupt etwas auf dem Gelände tun wird, dürfte es so oder so noch einige Zeit dauern. Dass das SEZ vom Investor Löhnitz nach langem Rechtsstreit an das Land Berlin gehen wird, gilt nach dessen Scheitern vor dem Bundesgerichtshof zwar als sicher. Eine Räumungsklage des Landes Berlin hatte das Kammergericht Berlin in seinem ursprünglichen, nun erneut bestätigten Urteil allerdings zurückgewiesen. Der Investor ist weiterhin Eigentümer. »Von sofortigem Abriss des SEZ Berlin kann keine Rede sein«, heißt es auf der von ihm eingerichteten Website für das SEZ.

Löhnitz beharrt auf seiner Position, sich in den Verhandlungen mit dem Land Berlin niemals zur Errichtung eines Schwimmbads verpflichtet zu haben. Seit 2013 sei er vom Land an der Weiterentwicklung des Standorts gehindert worden, habe ihn deshalb dem Verfall preisgeben müssen. Der Investor zeigt sich dieser Tage fest entschlossen. Er will das SEZ noch so lange wie möglich als Veranstaltungsort vermieten.

Haben Sie Erinnerungen an das SEZ? Was ist Ihre Meinung zu den Abrissplänen? Schreiben Sie uns eine E-Mail an: berlin@nd-online.de

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