Linke Konzepte gegen ein rechtes Europa

Bei ihrem Jahresauftakt-Treffen steckte die Linkspartei den Weg zur Europawahl im Juni ab

Schlussrunde beim Jahresauftakt der Linken: EL-Präsident Walter Baier (l.) Moderatorin Franziska Albrecht und Ko-Parteichef Martin Schirdewan
Schlussrunde beim Jahresauftakt der Linken: EL-Präsident Walter Baier (l.) Moderatorin Franziska Albrecht und Ko-Parteichef Martin Schirdewan

Wie erreicht man politische Ziele? Die Frage, die Martin Schirdewan am Samstagabend in der Abschlussrunde der Jahresauftaktkonferenz der Linken in Berlin aufwarf, war wohl eher als Auftrag gemeint. Die Antwort lieferte der Ko-Vorsitzende der Partei gleich mit: mit einer starken Linken in den Ländern, auf Bundesebene, vor allem aber im Europaparlament. Im Juni wird über die Zusammensetzung der EU-Volksvertretung abgestimmt, und sowohl Schirdewan als auch sein Gesprächspartner Walter Baier, Präsident der Partei der Europäischen Linken (EL), waren sich über die Bedeutung der Wahl einig: Um nicht weniger gehe es, als den Aufstieg des Faschismus in Europa und global zu verhindern. »Die Demokratie ist massiv in Gefahr«, betonte der Chef der EL, die unter ihrem Dach weit über drei Dutzend linke und links-grüne Parteien vereint.

Einen ganzen Tag lang hatte Die Linke über die Herausforderungen des neuen Jahres debattiert. Gekommen waren so viele Mitglieder und Sympathisanten, dass das Catering hoffnungslos überfordert war, wie die Parteispitze – natürlich erfreut über den großen Zuspruch – mit einem Augenzwinkern einräumen musste. Tatsächlich gab es Runden zu sozialer Gerechtigkeit und linker Wirtschafts- und Industriepolitik, zu Ökologie oder der Parteistrategie für den Osten. Daneben erhielten die Teilnehmer*innen ganz praktische Tipps: In einer Vielzahl von Workshops ging es etwa um die »Taktik« bei Haustürgesprächen und die Nutzung von Social Media im Wahlkampf.

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Mit der Jahresauftaktkonferenz setzte die Linkspartei ihren auf dem Parteitag im November angenommenen Fahrplan Richtung Europawahl weiter um. In Augsburg hatten die Delegierten ein ambitioniertes Wahlprogramm verabschiedet. Der Kampf für soziale Gerechtigkeit und einen ökologischen Umbau der Wirtschaft, für Demokratie und Menschenrechte ebenso wie für Klimagerechtigkeit, Frieden und Abrüstung und ein faires Zusammenleben mit dem Globalen Süden sind Stichpunkte darin.

Werben soll für das Programm insbesondere das in Augsburg gewählte Spitzenquartett, das sich den Teilnehmer*innen der Jahresauftaktkonferenz zur Debatte stellte. Schirdewan, auf Listenplatz eins und als Europaabgeordneter zugleich Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im EU-Parlament, betonte, dass eine starke Linksfraktion in Brüssel einiges bewegen könne. So gingen die europäische Mindestlohnrichtlinie, die teilweise Freigabe von Corona-Impfpatenten oder der bessere Schutz von Beschäftigten der Digitalindustrie auf Initiativen von The Left im Europaparlament zurück. In diese Richtung wolle er weiter wirken und insbesondere auch die Geschäfts- und Steuervermeidungspraxis der Onlinekonzerne regulieren. Özlem Demirel, wie Schirdewan ebenfalls Europaabgeordnete, hat sich auch für die Zukunft den Kampf für soziale Gerechtigkeit und gegen eine Militarisierung der EU auf die Fahne geschrieben; der Sozialmediziner Gerhard Trabert sieht das Thema Gesundheitsversorgung als Menschenrecht im Zentrum seiner möglichen parlamentarischen Tätigkeit. Die in der Geflüchtetenhilfe bekannt gewordene Carola Rackete will sich mit Klimapolitik und nachhaltiger, sozial gestalteter Landwirtschaft beschäftigen – und ausdrücklich die Verbindung zu Bewegungen stärken. Somit reagierte sie, bewusst oder unbewusst, auch auf den Rücktritt von Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager Tobias Bank, der sein Ausscheiden auch mit der nach seiner Meinung zu starken Orientierung der Partei auf die außerparlamentarischen Bewegungen begründete.

Das entscheidende Thema im Wahlkampf wird jedoch der Kampf gegen recht sein. Eine starke Rechte im Europäischen Parlament könnte im Schulterschluss mit Konservativen wesentlich europäische Politik prägen. Dass diese Gefahr sehr real ist, machte der Politikwissenschaftler Jan Rettig in der Runde zur Rechtsentwicklung in Europa deutlich: Von derzeit knapp 60 Abgeordneten könnte die Rechtsfraktion im Europaparlament nach der Wahl im Juni auf bis zu 90 wachsen. Hinzu käme, dass im Rat der EU, also dem Gremium der Regierungen, ebenso wie im Europäischen Rat der Staatsspitzen rechte und rechtspopulistische Regierungen bereits mit am Tisch säßen.

Um den Raum für die Rechten zu verkleinern, müssten die Linken insbesondere die sozialen Themen besetzen, wie unter anderem der Linke-Landessprecher Niedersachsens, Thorben Peters, bekräftigte. In der Abschlussrunde verwies Walter Baier auf die guten Erfahrungen aus Österreich in dieser Hinsicht. In Salzburg, wo sich die KPÖ+ stark für eine soziale Wohnungspolitik engagiert, oder in Graz, das seit drei Jahren von einer linken Bürgermeisterin regiert wird, die konsequent soziale Fragen in den Mittelpunkt stellt, sei es gelungen, die Rechten zurückzudrängen. Martin Schirdewan brachte es auf den Punkt: Wo die Linken stark sind, entziehen sie den Rechten den Boden, in Österreich, in Deutschland, überall in Europa.

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