Hohe Heizkosten: Westend-Rebellen gegen Adler-Gruppe

Hohe Heizkosten bringen Mieter in Charlottenburg in Bedrängnis

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 5 Min.
Volles Haus: Niklas Schenker auf der Mieter*innenversammlung im Käthe-Dorsch-Haus in Charlottenburg
Volles Haus: Niklas Schenker auf der Mieter*innenversammlung im Käthe-Dorsch-Haus in Charlottenburg

Der Andrang war groß am 17. Januar im Käthe-Dorsch-Haus. Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) hatte zusammen mit Niklas Schenker von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zu einer Versammlung für die Mieter*innen der Angerburger Allee 35–55 eingeladen. »Wir haben versucht, einen größeren Raum zu finden«, entschuldigt sich Schenker. Platz wäre für 100 Personen gewesen, bei mehr als 800 Mietparteien in der Charlottenburger Wohnsiedlung. Der Anlass: Nebenkostenabrechnungen der Adler-Group, teilweise mit Forderungen über 6000 Euro.

Klaus Hendel ist einer der betroffenen Mieter. Der Rentner hat eine Nachforderung von 1585 Euro bekommen. Angesichts der sich abzeichnenden steigenden Heizkosten habe er versucht, so gut es eben ging zu sparen. »Von fünf Heizkörpern sind bei mir maximal zwei Heizkörper an.« Geholfen hat es nicht. Besonders dreist: Trotz Widerspruch gegen die Nebenkostenabrechnung und damit einhergehendem Zurückbehaltungsrecht hat die Adler-Group den Betrag einfach von seinem Konto eingezogen. »Das abgebuchte Geld, das in der Größenordnung meine Altersrente weit übersteigt, ist auf meinem Konto zurück. Aber wer keine Rücklagen hat, steht mit dem Rücken an der Wand. Das geht gar nicht.«

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Eine Abbuchung wie bei Klaus Hendel ist kein Einzelfall. Teilweise seien dadurch die Konten der Mieter*innen der Angerburger Allee überzogen worden, so Marcel Eupen vom AMV. Er rät den Mieter*innen, sich die Abbuchung zurückzuholen und das Lastschriftmandat zu widerrufen. Die Adler-Group entgegnete auf Anfrage des »nd«, man ziehe grundsätzlich Nachforderungen nicht ein, wenn ein Mieter widerspreche. Man habe in der Angerburger Allee so viele Mieteranfragen erhalten, dass nicht alle rechtzeitig bearbeiten werden konnten. »Es konnte also passieren, dass Mieter belastet worden sind, obwohl sie Widerspruch eingelegt haben. Das wird in jedem Einzelfall geprüft. Hat der Mieter Anspruch auf Rückzahlung, so gewähren wir sie selbstverständlich auch.«

Die Nebenkosten in der Anlage sind stark gestiegen. 2018 waren es noch 140 000 Euro, jetzt sind es zwei Millionen. Der Energielieferant Eon hat die Preise erhöht, Adler reicht diese an die Mieter*innen weiter. Aus Sicht der Verbraucherzentrale sind die Preiserhöhungen von Eon aber nicht gerechtfertigt, da die Berechnungsformeln des Konzerns nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen würden. Deswegen führt sie eine Musterfeststellungsklage mit dem Ziel, dass die Abrechnungen rückwirkend angepasst werden und Kund*innen das sich daraus ergebende Guthaben erstattet bekommen. »Ich hoffe, dass der Prozess Erfolg haben wird und dass man dann gegen diese exorbitanten Preissteigerungen durch die Preiserhöhungsklauseln vorgehen kann«, so Eupen auf der Versammlung.

Aber nicht nur die Energiekosten des Anbieters sind gestiegen. »Mir haben einige Mieter mitgeteilt, dass die abgezogenen Vorauszahlungen für die Betriebs- und Heizkosten falsch sind, weil die alten Vorauszahlungsbeträge aus den alten Abrechnungen 2021 genommen worden sind«, so Eupen. Bei einigen Abrechnungen tauche ein dubioser neuer Heizkörper ohne Gerätenummer auf, der in der Vergangenheit nie aufgetaucht sei. »Da fehlt bisher jede Erklärung, woher dieser Heizkörper kommt und der hat auch den höchsten Betrag.« Deswegen rät Eupen den Mieter*innen, eine Belegprüfung anzufordern. Die Adler-Gruppe erklärte, man erstelle Betriebskostenabrechnungen mit höchster Genauigkeit und lasse diese intern stets gegenprüfen. »Grundsätzlich sollten sich Mieterinnen und Mieter möglichst umgehend bei uns melden, wenn sie Fragen zu ihrer Betriebskostenabrechnung haben oder ihre Miete/Betriebskostennachzahlung nicht zahlen können.« Man werde dann versuchen, für den jeweiligen Einzelfall eine individuelle Lösung zu finden.

Es gibt noch weitere Probleme mit der Adler-Group. Sie hatte sich vergangenes Jahr aus dem gescheiterten »Mietenbündnis« des Senats mit großen Wohnungsunternehmen zurückgezogen. Das Bündnis hatte sich 2022 freiwillig verpflichtet, die Mieten innerhalb von drei Jahren nur um elf Prozent anstatt der gesetzlich möglichen 15 Prozent zu erhöhen. Klaus Hendel bekam nun eine saftige Mieterhöhung ins Haus: Um 40 Prozent wollte die Adler-Group die Miete erhöhen. Hendel hat Widerspruch eingelegt und damit Erfolg gehabt. Viele Mieter*innen in der Siedlung seien aber in einem hohen Alter, so Hendel. »Sie haben keine Kraft mehr sich zu wehren, und wenn die hohe Abrechnungen haben, dann zahlen sie das, weil sie Angst haben, Schulden zu machen«, befürchtet er.

Um der Nachbarschaft ein Stimme zu geben, wird sich eine Mieter*inneninitiative gründen. Adler-Mieterin Lea Thieme hat sich bereit erklärt, die Sache in die Hand zu nehmen. »Wie wollen die Politik erreichen, damit sie etwas gegen die Wohnsituation und die steigenden Kosten macht und damit man, wenn man nicht so gut verdient, nicht die Angst haben muss, auf der Straße zu sitzen.« Auf der Versammlung wird der Vorschlag gut angenommen, Thieme wird mit Applaus bedacht, ein Mieter bringt sogar einen Namen ins Spiel: Westend-Rebellen.

Eine der vielen Herausforderungen, vor der die Initiative steht: Der Vermieter ist nicht erreichbar. »Man kann das zehnmal schriftlich machen, siebenmal die Hausmeister ansprechen, es passiert nichts«, so Hendel. Die Anlage verwahrlose, »es ist eine Katastrophe«. So einfach aus der Affäre ziehen soll sich das Unternehmen aber nicht können. Zur nächsten Mieter*innenversammlung, so Marcel Eupen am Ende des Treffens, werde man den Vorstand der Adler-Group einladen.

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