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Ampel beschließt umstrittenes Abschiebegesetz
Das Ampel-Gesetz soll Deportationen erleichtern, indem es Grundrechte von Asylsuchenden einschränkt
Am Donnerstag hat der Bundestag das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz verabschiedet. Das hochumstrittene Ampel-Vorhaben – auch Abschiebegesetz genannt – soll Deportationen von ausreisepflichtigen Ausländern einfacher machen. Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren, das Gesetz werde Asylsuchende noch weiter entrechten. Zudem warnen Juristen vor einer Kriminalisierung der Rettung minderjähriger Flüchtender.
»Mit unserem Gesetzespaket sorgen wir dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen«, erklärte SPD-Innenministerin Nancy Faeser am Donnerstag. Mit einer Reihe von Neuerungen werde verhindert, dass Personen untertauchten, bevor sie abgeschoben werden könnten.
Bislang scheitern Abschiebungen oft im letzten Moment, weil Betroffene nicht auffindbar sind. Deshalb soll etwa die Höchstdauer des haftähnlichen Ausreisegewahrsams künftig von bislang zehn Tagen auf 28 Tage verlängert werden. Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch Räume anderer Personen betreten dürfen, um Ausreisepflichtige ausfindig zu machen. Künftig soll eine Abschiebung bei Ausreisepflichtigen in Haft zudem nicht mehr angekündigt werden müssen.
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»Diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen«, rechtfertigte Faeser das Vorhaben. So könne die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz von Geflüchteten erhalten werden, so die Ministerin.
Bereits im November hatten Menschenrechtsorganisationen Kritik an Faesers Gesetz geübt. Wiebke Judith von Pro Asyl sagte beispielsweise, die Bundesregierung opfere die Rechte der Betroffenen dem »rechtspopulistischen Diskurs«. »Verschärfte Abschiebungsregeln werden kaum dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden.«
Auch Teile der regierenden Partei Bündnis 90/Die Grünen hatten Bedenken am Vorhaben geäußert. So sagte Filiz Polat, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Ende November, ihre Partei müsse die aus ihrer Sicht problematischen Punkte, nämlich die Eingriffe in Grundrechte, um vermeintlich mehr Menschen abschieben zu können, genau prüfen. »Gerade in der Tiefe der Grundrechtseingriffe« gebe es verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken, so Polat.
Laut juristischen Einschätzungen könnte etwa ein Ausreisegewahrsam von 28 Tagen verfassungswidrig sein, denn für Betroffene unterscheidet sich das Gewahrsam kaum von einer Inhaftierung. »Ihnen wird zum Teil das Handy abgenommen, sie werden für viele Stunden am Tag in einer Zelle eingesperrt,« erzählt der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch der »Welt«.
In einem Punkt konnten sich die Grünen allerdings durchsetzen: Menschen in Abschiebehaft sollen künftig Rechtsbeistand erhalten. Zurzeit gibt es solche verpflichtende Rechtsanwälte für Betroffene noch nicht.
Kinderschutz wird kriminalisiert
Das trotz der vielen Kritik vom Parlament beschlossene Abschiebegesetz sieht außerdem vor, dass auch uneigennützige Hilfe für Flüchtende strafbar sein soll. Aufgrund zivilgesellschaftlichen Proteste wurde zwar der Vorschlag durch den Zusatz »über den Landweg« abgeändert, um die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung zu verhindern. Zwei neue Rechtsgutachten warnen nun allerdings, dass durch das jetzt verabschiedete Gesetz zwar volljährige Personen straffrei gerettet werden dürften, jedoch ausgerechnet die Rettung unbegleiteter Minderjähriger aus Seenot strafbar werden könnte.
Aziz Epik, Juniorprofessor für Internationales Strafrecht an der Universität Hamburg, sagte dem »Tagesspiegel« am Mittwoch: »Es wurde offenbar übersehen, dass durch einen Verweis auf einen anderen Absatz des Gesetzes der spezielle Fall der Einreise unbegleiteter minderjähriger Ausländer auf dem Seeweg weiterhin von der Ausweitung der Strafbarkeit erfasst wäre.«
Auch andere Menschenrechtsverteidiger, humanitäre Organisationen und Geflüchtete sind von der Kriminalisierung betroffen. Wer beispielsweise Schutzsuchenden an den Außengrenzen Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel, Schlafplätze und medizinische Versorgung zur Verfügung stellt, dem drohen dafür in Deutschland künftig bis zu zehn Jahre Haft.
Große Empörung von rechts und links
Was sagt die Opposition zum Gesetz? Die Linke-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger sieht in dem Ampel-Vorstoß einen »massiven Angriff« auf die Grund- und Freiheitsrechte von Geflüchteten. »Die Ampel will ›in großem Stil abschieben‹, koste es, was es wolle«, kritisierte die ehemalige fluchtpolitische Sprecherin. Das zeige zugleich, dass die Ampel aus der Correctiv-Recherche nicht das Geringste gelernt habe. »Man hält den Aufstieg der AfD nicht auf, indem man deren Forderungen übernimmt oder sie sogar in vorauseilendem Gehorsam umsetzt – im Gegenteil.«
Aus Sicht der Union geht das Gesetz nicht weit genug. Sie richtete ihre Kritik insbesondere gegen die Grünen, die eine Pflicht ins Gesetz geschrieben hatten, die Anwälte der Betroffenen über die Maßnahmen zu informieren. »Damit werden die Ausreisepflichtigen aber über alle Berge sein, wenn sie in Haft genommen werden sollen«, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Das Rückführungsverbesserungsgesetz sei in Wirklichkeit ein »Rückführungsverschlechterungsgesetz«.
Mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter Pro Asyl und SOS Humanity protestierten am Donnerstagvormittag vor dem Bundestag gegen die Verabschiedung des Gesetzes. Tareq Alaows, fluchtpolitischer Sprecher von Pro Asyl erklärte »nd«: »Das Bekanntwerden dieser menschenverachtenden Deportationspläne muss endlich zum Umdenken bei den demokratischen Parteien führen. Sie müssen die Diskursverschiebung nach rechts außen beenden und sich auf Lösungen gesellschaftlicher Probleme konzentrieren, die Geflüchtete nicht zu Sündenböcken machen.«
Mit ihrer Forderung standen die Organisationen nicht alleine: Über 136 000 Menschen hatten eine an Nancy Faeser und alle demokratischen Bundestagsabgeordneten gerichtete We-Act-Petition unterzeichnet. Die Unterschriften wurden am vergangenen Montag vor dem Bundestag an einen Vertreter des Innenausschusses übergeben.
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