Ringtausch mit London: Raketenlieferung auf Umwegen

Berlin erwägt Taurus-Export an Großbritannien. Von dort könnte die Ukraine ähnliche Waffen bekommen

Seit Monaten fordert die Ukraine deutsche Taurus-Marschflugkörper für den Abwehrkampf gegen Russland. FDP und Grüne dringen darauf, Kiew den Wunsch zu erfüllen. Innerhalb der Ampel-Koalition hat sich bislang vor allem Kanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen gestemmt, auch mit Blick auf die damit steigenden Risiken für Deutschland, von Russland als direkte Kriegspartei eingestuft zu werden.

Nun könnte es demnächst einen Deal geben, mit dem man die Risiken glaubt verringern zu können: Die Ukraine bekommt Marschflugkörper, aber nicht den Taurus. Einem Bericht des »Handelsblatts« vom Donnerstag zufolge könnte sich Deutschland über einen Ringtausch an der Lieferung solcher Waffen an Kiew beteiligen. Es gebe Überlegungen, Nato-Partnern wie Großbritannien oder Frankreich Taurus-Raketen zu liefern. Im Gegenzug würden diese Länder ähnliche Systeme in die Ukraine exportieren.

Das »Handelsblatt« schreibt unter Berufung auf Diplomaten und Regierungsvertreter, London habe bereits vor Wochen angeboten, der Ukraine im Gegenzug für Taurus weitere seiner Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow zu überlassen.

Die Ukraine hatte die Bundesregierung bereits im Mai 2023 um die Lieferung der Taurus-Systeme gebeten. Sie können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung präzise treffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich Anfang Oktober vorerst gegen eine Lieferung entschieden. Moskau liegt etwas weniger als 500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt.

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Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba versicherte in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview von »Bild«, Welt.tv und Politico, man brauche »keinen Taurus, um Moskau anzugreifen«. Vielmehr wolle man damit russische militärische Infrastruktur in den besetzten ukrainischen Gebieten zerstören. Großbritannien und Frankreich liefern der Ukraine zu diesem Zweck bereits seit langem Marschflugkörper der Typen Storm Shadow und Scalp. Diese gelten aber als nicht so präzise und leistungsstark wie Taurus. Der französische Verteidigungsminister Sébastian Lecornu kündigte erst vor wenigen Tagen die Lieferung weiterer 40 Scalp-Raketen an.

In den Regierungsfraktionen trifft die Ringtausch-Idee auf ein geteiltes Echo. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), drang erneut auf direkte Taurus-Lieferungen. Bei einem Ringtausch wäre das System »für die Bundeswehr nicht mehr vorhanden«, und die Ukraine habe es trotzdem nicht. Storm Shadow sei »kein gleichwertiger Ersatz«. Anton Hofreiter (Grüne), kommentierte, die aktuellen Überlegungen zeigten »exemplarisch die Schwäche« von Kanzler Scholz bei der Unterstützung der Ukraine.

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter findet, ein Ringtausch wäre »peinlich« für die Bundesrepublik und widerspreche ihrem Führungsanspruch in Europa. »Deshalb sollte Deutschland endlich direkt liefern, denn die Unterstützung der Ukraine auch mit Taurus dient unserer eigenen Sicherheit, verhindert Massenflucht und eine Ausweitung des Krieges«, betonte er.

Es war indes der Bundeskanzler, der auf dem SPD-Parteitag im Dezember erneut versprochen hatte, man werde der Ukraine weiter jede erdenkliche militärische Unterstützung zukommen lassen. In der kommenden Woche beraten die EU-Mitgliedsstaaten auf seine Initiative über die weitere Waffenhilfe für die Ukraine. Deutschland ist der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine nach den USA – weit vor großen EU-Partnern wie Frankreich, Italien und Spanien.

Erst am Dienstagabend hatte das Bundesverteidigungsministerium bekanntgegeben, dass Deutschland der Ukraine demnächst sechs Mehrzweckhubschrauber vom Typ Sea King Mk41 schicken wird. Die Lieferung umfasse auch ein »umfangreiches Zubehör- und Ersatzteilpaket sowie eine fliegerische und technische Ausbildungsunterstützung«. In Deutschland werden die etwa 50 Jahre alten Sea Kings zur Seenotrettung auf der Nord- und Ostsee eingesetzt. Sie sollen durch den neuen Marinetransporthubschrauber NH-90 Sea Lion ersetzt werden. mit Agenturen

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