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- Antifaschismus in den Gewerkschaften
IG Metall: Der Stammtisch ist im Betrieb
Die IG Metall Berlin debattiert, was Gewerkschaften gegen rechts tun können
Auf dem Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft (IG) Metall im vergangenen Oktober findet die Vorsitzende Christiane Benner deutliche Worte: »Unser ›Team IG Metall‹ ist offen für alle – außer für Rassisten, Faschisten und andere Reaktionäre! Die haben bei uns nichts zu suchen!« Doch was bedeutet das für die Gewerkschaftspraxis an der betrieblichen Basis? Was müssen Gewerkschafter*innen tun, dass sich der von oben geäußerte Anspruch in eine Realität hinterm Werkstor übersetzt?
Um dies zu beratschlagen, waren am Donnerstag etwa 50 Leute in der Geschäftsstelle der IG Metall Berlin zusammengekommen, »damit den Sonntagsreden Taten folgen« und es nicht wieder heiße, die AfD werde besonders häufig von Gewerkschaftsmitgliedern gewählt, wie es Moderator Klaus Murawski formulierte.
Landauf, landab bekommt die AfD bei Wahlen überdurchschnittlich viele Stimmen von Gewerkschafter*innen. Bei der Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Februar 2023 kam die AfD auf 9,1 Prozent der Stimmen. Unter Gewerkschafter*innen liegt der AfD-wählende Anteil bei zehn Prozent.
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IG-Metall-Bildungsreferentin und Historikerin Chaja Boebel blickt auf das Wahlverhalten in den 1930er Jahren: »Die Arbeiterschaft hat links gewählt. Dass ein Arbeiter die NSDAP gewählt hat, war die absolute Ausnahme.« In einer historischen Phase der komplexen Krisen habe vor allem das Kleinbürgertum aufgrund von Abstiegsängsten für die Nazipartei gestimmt. Äquivalent zur Klientel der NSDAP werde unter der Mitgliedschaft der IG Metall aufgrund von Abstiegsängsten die AfD gewählt. Man müsse sich also mit der Zusammensetzung der Klasse auseinandersetzen, die die IG Metall vertrete, sagt Boebel. Sie meint: »Die AfD und alle anderen rechten Parteien in Europa sind die neuen Arbeiterparteien.«
Auch Gewerkschaftssekretärin Sophie Bartholdy sieht diesen tendenziellen Widerspruch zwischen Vorstand und einem Teil der Basis. Ihr gestehe der eine oder andere, dass er die AfD wähle, sagt sie. Da müsse man in die Debatte gehen. »Ich sehe, dass die Betriebsräte das Thema AfD lieber nicht anfassen. Doch wir müssen uns damit auf den Betriebsversammlungen auseinandersetzen. Wenn wir uns wegducken, vergrößern wir den Nährboden«, sagt Bartholdy. Ein VW-Beschäftigter merkt an: »Wir Vertrauensleute sind tagtäglich damit konfrontiert. Es ist daher wichtig, dass uns die Gewerkschaft im Vorgehen schult.«
Bartholdy sagt zu »nd«, dass es in Berlin, anders als in anderen Bundesländern, keine offen rechten Strukturen gebe. Sie spricht stattdessen von einer »Unterströmung«. Selbst Betriebsräte würden zum Teil die AfD wählen.
Vom »Kampf um die Hegemonie« ist am vergangenen Donnerstag im Gewerkschaftshaus häufiger die Rede. Historikerin Boebel spricht von einer »Raumergreifungsstrategie« der AfD. Was die einzelnen Beschäftigten dagegen tun können, erklärt Christian von Aufstehen gegen Rassismus. Er koordiniert sogenannte Stammtischkämpfer*innenseminare. Ein »Ich will das hier nicht hören, das ist auch mein Pausenraum«, könne schon viel bewirken. Eine Diskussion sei nicht immer nötig. Position beziehen könne dazu führen, dass Kolleg*innen überlegen: »Ist das jetzt rassistisch?« oder »Kann ich das jetzt sagen oder gibt es wieder Widerspruch?« Man solle aber auch Betriebsräte und Gewerkschaftsmitglieder über Vorkommnisse informieren.
In den Betrieben müsse man effizient vorgehen und Kräfte sparen. Die Auseinandersetzung mit den Kadern mit geschlossenem Weltbild laufe ins Leere, sagt Christian. Historikerin Boebel verweist auf die Leipziger Autoritarismus-Studie. Demnach haben fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. »Bei 40 Prozent ist dieses nur latent, die brauchen wir auf unserer Seite.«
Die AfD besteche dadurch, dass sie skandalträchtige Themen ausschlachte, sagt Jürgen Schulte von der Initiative Hufeisern gegen rechts aus der Neuköllner Hufeisensiedlung. Lösungen biete die AfD keine an. Das müssen Gewerkschafter*innen aufzeigen. »Während der Tarifauseinandersetzung muss klargemacht werden: Die AfD will den Flächentarif zerschlagen.« Gewerkschaftssekretärin Bartholdy sagt: »Mit einer halben Million Mitgliedern mit Migrationshintergrund sind wir die größte Migrantenorganisation in Deutschland. Wenn die Gewerkschaftsfeinde ihre Interessen durchsetzen, sind die Montagebänder leer.« Und den Kolleg*innen müsse verdeutlicht werden, sagt Boebel, dass die AfD die Gewerkschaften in ihrer Existenz bedrohe. »Wir haben zu lange die Gewerkschaft vom Betrieb her gedacht. Wir müssen aber auch den politischen Rahmen adressieren, sonst sind die Errungenschaften der Arbeiterbewegung bald wieder weg.«
Aus dem Publikum heißt es, die AfD geriere sich als rebellisches Element, als einzige Opposition. Das sei möglich, weil die Regierung mit den multiplen Krisen nicht gut umgehe, auf die Unsicherheit der Leute keine Antwort finde. Es gibt Applaus. »Die IG Metall stellt sich politisch sehr, sehr neutral dar«, sagt ein Gast. Diese Gewerkschaft habe sich in den letzten 40 Jahren entpolitisiert. Hinter der Veranstaltung selbst steht übrigens die Basis der IG Metall – der Arbeitskreis Internationalismus.
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