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Umweltverbände pro und kontra CCS-Einsatz
Heftige Kontroverse um den Umgang mit der umstrittenen Kohlenstoff-Lagerung
Ein breites Bündnis von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen warnt vor massiven Klima- und Umweltschäden, sollte die Bundesregierung einen großflächigen Einsatz der CCS-Technik zur Abscheidung und Lagerung von CO2 erlauben. »Dies wäre ein gefährlicher Irrweg im Kampf gegen die Klimakrise«, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung von großen Verbänden wie BUND, Greenpeace und Deutscher Umwelthilfe, von Power Shift, Urgewald und der Bürgerinitiative »Kein CO2-Endlager Altmark«.
Die Bundesregierung hat angekündigt, demnächst ihre lange geplante »Carbon-Management-Strategie« zu veröffentlichen. Angedacht sind ein mehrere Tausend Kilometer langes CO2-Entsorgungsnetz quer durch Deutschland, große unterirdische Endlager und ein grenzüberschreitender Handel mit Kohlenstoffdioxid. Im Bundeshaushalt sind bereits erhebliche Mittel für ein Förderprogramm eingestellt. Laut Pressemeldungen geht es um knapp 1,4 Milliarden Euro, wobei bis 2030 insgesamt 3,6 Milliarden vorgesehen sind. Kommende Woche will zudem die Europäische Kommission eine CCS-Strategie für die EU vorstellen.
Blockade der Energiewende
Für das Verbändebündnis ist die Technik eine Scheinlösung, die die Energiewende blockiere und den grünen Umbau der Industrie gefährde. »Eine staatliche Richtungsentscheidung für CCS wäre eine lebensverlängernde Maßnahme für klimaschädliche Produktion. Kraftwerke und ganze Industriezweige würden sich über Jahrzehnte weiter an die Nutzung von Öl und Gas binden«, heißt es in der Erklärung. Mit Steuergeldern werde ein europaweites Geschäftsmodell für die Gasindustrie subventioniert. Die Verbände warnen vor einer Verschmutzung des Trinkwassers, künstlich erzeugten Erdbeben und einem gewaltigen Flächenverbrauch. CO2-Endlager in der Nordsee gefährdeten zudem das Weltnaturerbe Wattenmeer.
Wenige Tage vorher befürwortete hingegen die Naturschutzorganisationen Nabu und WWF gemeinsam mit dem Industrieverband BDI und dem DGB eine begrenzte Anwendung von CCS und der verwandten CCU-Technik, bei der Kohlenstoff nach der Abscheidung in chemischen Prozessen genutzt wird: Diese seien ein relevanter Baustein, um die Klimaziele zu erreichen, heißt es in einem Thesenpapier. Die Technologien sollten »prioritär« in Bereichen zum Einsatz kommen, in denen CO2-Emissionen nach aktuellem technischen Stand nicht vermieden werden können, zum Beispiel in der Zementindustrie, Glasherstellung und Müllverbrennung. Die Allianz beteuert: »Wir stehen hinter dem Prinzip CO2-Vermeidung und Reduktion vor Abscheidung.« Derzeit gebe es aber »keine andere Option für die Dekarbonisierung einzelner Industrien«, sagte Nabu-Klimaexperte Daniel Rieger dazu. Man müsse zur Begrenzung der Erderwärmung »alle Hebel in Bewegung setzen«.
Pandabär und Storch für CCS
In der Öko-Szene stießen das Papier und insbesondere die Beteiligung von zwei Umweltverbänden auf scharfe Kritik: Der Vorstoß befördere die große Gefahr, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck »hier in die Falle tappt« und der falsche Ansatz per Gesetz fixiert werde zum Schaden der Natur und künftiger Generationen, sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser gegenüber »nd«.
Das Papier liefere, »was der Industrie bislang gefehlt hat: Glaubwürdigkeit durch das Siegel von zwei Umweltverbänden. Nun kleben also Pandabär und Storch auch auf CCS und CCU«, erklärte die frühere BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt in einem Text mit anderen Kollegen aus der Wissenschaft. Wer wirklich wolle, dass die Technologie nur für »Restemissionen« relevant sein soll, müsse für die noch zulässigen CO2-Mengen konkrete Obergrenzen vorlegen.
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