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AfD: Extremisten des Marktes
Nationalismus und Rassismus schaden dem Wirtschaftswachstum, heißt es von allen Seiten. Das ist allerdings ein problematisches Argument.
An diesem Wochenende gehen wieder viele Menschen auf die Straße – für Solidarität und Respekt und gegen Hass und Hetze, für Selbstbestimmung und Humanität und gegen Rassismus und Ausgrenzung. Unterstützung erhalten sie von den Parteien der politischen Mitte wie auch von Vertretern der deutschen Wirtschaft. Denn ihnen zufolge bedrohe der Rechtstrend nicht nur Migrant*innen, queere und Schwarze Menschen und andere, er bedrohe auch das Wirtschaftswachstum – und sei damit zutiefst unpatriotisch.
Deutschland müsse vor »extremistischen Rattenfängern geschützt werden«, sagte vergangene Woche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: »Hass auf Menschen mit Migrationsgeschichte, diese Ideologie der Extremisten ist Gift für unsere Volkswirtschaft, Gift für Arbeitsplätze und Wohlstand, sie ist eine Gefahr für unser Land.«
Laut Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind es vor allem ärmere Menschen, die unter einer Umsetzung des Programms der Alternative für Deutschland (AfD) zu leiden hätten. Denn die AfD plädiere für Steuersenkungen, weniger Umverteilung und Sozialkürzungen, die Partei »spricht sich noch stärker und umfassender für eine marktorientierte Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik aus als die FDP«, so das DIW. Daraus lässt sich als erstes schließen, dass »unsere Volkswirtschaft« offensichtlich zu einer sehr ungleichen Verteilung »unseres Wohlstands« führt. Zweitens klingt das AfD-Programm sehr »wirtschaftsfreundlich«, also wachstumsfreundlich. Von ihm würden also tendenziell die Gewinner des Marktes profitieren, die Verlierer hätten das Nachsehen.
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Panzerbauer gegen Extremismus
Vertreter*innen von Wirtschaft und Politik bestehen aber darauf, dass die AfD eine Gefahr nicht nur für die Ärmeren ist, sondern für die gesamte Volkswirtschaft. Potenzielle Opfer des Rechtstrends seien »die deutsche Wettbewerbsfähigkeit und Integration in den Weltmarkt« (Ifo-Institut) sowie »die Zukunft von uns allen, die Wirtschaft, unser Ansehen und unser Erfolg in der Welt« (Industriepräsident Siegfried Russwurm). In diesem Sinne positionieren sich auch Vorstände großer deutscher Konzerne: »Wir lehnen Extremismus in jeglicher Form ab«, erklärt der Panzerbauer Rheinmetall. Adidas vermeldet, »unser Unternehmen steht für Vielfalt und Inklusion«. Die Deutsche Bank warnt, »Investoren schauen mit Sorge auf die Entwicklungen«.
Dass sich auch die Vertreter von Gewinn und Umsatzrendite auf die Seite der Demonstranten schlagen, liegt daran, dass ihre Geschäftsmodelle den Zugang zu den globalen Rohstoff-, Güter- und Absatzmärkten brauchen und vor allem den Zugriff auf eine ausreichende Menge an Arbeitskraft. Das gilt nicht nur für multinationale Konernze, auch seine Branche, so Handwerkspräsident Jörg Dittrich, sei angewiesen auf »Weltoffenheit«, also auf »ausländische Arbeitskräfte«. Der Beschwerde der AfD, die Zuwanderung bedrohe Deutschland und koste zu viel Geld, wird entgegengehalten, Deutschland profitiere von der Zuwanderung, die den Reichtum mehre. Beide Seiten legen an die Menschen das gleiche Kriterium der ökonomischen Nützlichkeit an, kommen aber zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die einen fordern daher Heimatschutz, die anderen Weltoffenheit.
Rassismus und Nationalismus, erklärt Arbeitsminister Hubertus Heil, könne sich Deutschland »nicht leisten«. Eine derartige ökonomische Argumentation ist gängig. So errechnete die Unternehmensberatung McKinsey im Jahr 2015, Unternehmen mit einer größeren geschlechtlichen und ethnischen Vielfalt der Belegschaft hätten eine höhere Rentabilität, weil sie sich aus einem größeren Pool an »Talenten« bedienen könnten. Laut der Unternehmensberatung Accenture erzielen Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen und andere marginalisierte Gruppen beschäftigten, 28 Prozent höhere Umsätze als andere, und für das deutsche Institut IW sind »Menschen mit Behinderungen eine unverzichtbare Stütze für den Arbeitsmarkt«.
Vorurteilslose Begutachtung
So werben Vertreter*innen der Wirtschaft für eine vorurteilslose Betrachtung der Menschen als Produktionsressource und kritisieren Rassismus und Nationalismus als Wachstums- und Renditebremsen. Gegen die rassistische Diskriminierung setzen sie die Auslese des Marktes, dessen Ergebnisse bestimmen, ob und wie produktiv Menschen sind, gleich welcher Nationalität, Herkunft, Hautfarbe oder Identität.
Bereits vor Jahren warnten die Sozialwissenschaftler*innen Eva Groß und Andreas Hövermann, parallel zum Erfolg rechtspopulistischer Parteien gewinne ein »marktförmiger Extremismus« an Bedeutung. Ihm zugrunde lägen »marktförmige Motive, die auf ökonomistischen Werthaltungen fußen und auf die rein ökonomische Bewertung von Menschen abzielen«, schreiben sie. Dies stelle eine »relativ fest verankerte gesellschaftliche Norm« dar, die von der Politik flexibel gehandhabt werden kann: gegen arbeitslose Inländer wie gegen geflüchtete Ausländer, gegen inländische Rentner wie gegen aus dem Ausland nachziehende Familienmitglieder. »Welchen Gruppen dann jeweils Ineffizienz und finanzielle Belastung zugeschrieben werden, ist eine Frage der Situation und der Definition.«
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