Whistleblower Anders Kærgaard wird beigesetzt

Die Enthüllungen des Ex-Soldaten zu einer Militäroperation im Irak beschäftigen weiterhin die Gerichte

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.
Der dänische Whistleblower Anders Kærgaard verstarb am 5. Februar im Alter von 51 Jahren an den Folgen der Stresserkrankung, die aus seinen Erlebnissen im Irak-Krieg resultierte.
Der dänische Whistleblower Anders Kærgaard verstarb am 5. Februar im Alter von 51 Jahren an den Folgen der Stresserkrankung, die aus seinen Erlebnissen im Irak-Krieg resultierte.

Aarhus. Der dänische Whistleblower Anders Kærgaard ist tot. Er verstarb am 5. Februar im Alter von 51 Jahren an den Folgen der Stresserkrankung, die aus seinen Erlebnissen im Irak-Krieg resultierte. 2012 machte Kærgaard mit der Veröffentlichung von Informationen auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam. Bei der »Operation Green Desert«, die durch das Militär zunächst als Erfolg dargestellt wurde, waren am 25. November 2004 dänische, britische und irakische Soldaten in die Ortschaft Al-Zubair eingerückt, um vier Bauernhöfe nach Anführern der Al-Qaida zu durchsuchen. Kærgaard, damals als Nachrichtendienstoffizier im Bereich der psychologischen Kriegsführung eingesetzt, bewertete die Informationen über den angeblichen Aufenthaltsort der hochrangigen Anführer als »zu schön, um wahr zu sein«. Die Truppen trafen dann auch nur auf irakische Zivilist*innen, setzten die Operation jedoch fort und verschleppten diese in das Al-Jamiat-Gefängnis nach Basra. Kærgaard hatte Zugang zu Videomaterial, das Menschenrechtsverletzungen durch irakische Soldaten an den zivilen Opfern zeigt, denen dänische Soldaten tatenlos zusehen. Darüber hinaus existierte ein Lagebericht, in dem Kærgaard vorab den verantwortlichen Kommandeur warnte, dass die Informationen zu den dort angeblich anzutreffenden Al-Qaida-Anführern nicht glaubwürdig seien.

2012 hatten 23 der 36 Opfer der Militäroperation die dänische Regierung verklagt und Schadenersatz für die erlittene Folter im irakischen Gefängnis in Basra geltend gemacht. Das Verteidigungsministerium bestritt den Vorfall im Prozess. Kærgaard kontaktierte daraufhin die linke Tageszeitung »Arbejderen« und deckte die Lügen der Armee auf. Der Skandal zwang das dänische Militär, den geheimgehaltenen Bericht einzugestehen. 18 Opfern wurde nach einem Urteil des dänischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2018 zunächst Schadenersatz zugesprochen. In einer späteren Instanz stellte 2022 dann zwar auch der Oberste Gerichtshof Dänemarks als erwiesen fest, dass die Zivilisten Opfer von Folter geworden waren. Er urteilte jedoch, die dänischen Soldaten seien dafür nicht haftbar, da die Taten von irakischen Soldaten begangen worden waren. Ob die dänische Verteidigungsbehörde dennoch haftbar gemacht werden kann, muss am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof entschieden werden.

Für Kærgaard blieb das Engagement nicht ohne Folgen. Das dänische Militär wollte ihn zwingen, den Namen des Kollegen preiszugeben, der ihm das Video zugespielt hatte. Der Whistleblower schwieg und wurde nach einer sechsmonatigen Haftstrafe zusätzlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Kærgaard wurde mit Preisen ausgezeichnet, gründete die Organisation Veron, die Whistleblower unterstützt, und setzte sich auch erfolgreich für ein Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern ein. Zeitlebens blieb er dem Thema verbunden. »Wer zum Whistleblower wird, vor allem im Bereich des Militärs und der Geheimdienste, muss einen hohen Preis bezahlen. Ich habe meinen Job verloren, meine früheren Freunde. Sogar ein Großteil meiner Familie, in der es eine lange Militärtradition gibt, hat den Kontakt abgebrochen. Dafür habe ich meine Selbstachtung wiedergewonnen. Und ich habe neue Menschen gefunden, die mir gezeigt haben, dass ich nicht allein bin in diesem Kampf.« So beschrieb er es im Februar 2014 gegenüber Zeit Online anlässlich der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Fast auf den Tag genau zehn Jahre danach findet am 14. Februar im dänischen Aarhus seine Beisetzung statt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.