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Whistleblower Anders Kærgaard wird beigesetzt
Die Enthüllungen des Ex-Soldaten zu einer Militäroperation im Irak beschäftigen weiterhin die Gerichte
Aarhus. Der dänische Whistleblower Anders Kærgaard ist tot. Er verstarb am 5. Februar im Alter von 51 Jahren an den Folgen der Stresserkrankung, die aus seinen Erlebnissen im Irak-Krieg resultierte. 2012 machte Kærgaard mit der Veröffentlichung von Informationen auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam. Bei der »Operation Green Desert«, die durch das Militär zunächst als Erfolg dargestellt wurde, waren am 25. November 2004 dänische, britische und irakische Soldaten in die Ortschaft Al-Zubair eingerückt, um vier Bauernhöfe nach Anführern der Al-Qaida zu durchsuchen. Kærgaard, damals als Nachrichtendienstoffizier im Bereich der psychologischen Kriegsführung eingesetzt, bewertete die Informationen über den angeblichen Aufenthaltsort der hochrangigen Anführer als »zu schön, um wahr zu sein«. Die Truppen trafen dann auch nur auf irakische Zivilist*innen, setzten die Operation jedoch fort und verschleppten diese in das Al-Jamiat-Gefängnis nach Basra. Kærgaard hatte Zugang zu Videomaterial, das Menschenrechtsverletzungen durch irakische Soldaten an den zivilen Opfern zeigt, denen dänische Soldaten tatenlos zusehen. Darüber hinaus existierte ein Lagebericht, in dem Kærgaard vorab den verantwortlichen Kommandeur warnte, dass die Informationen zu den dort angeblich anzutreffenden Al-Qaida-Anführern nicht glaubwürdig seien.
2012 hatten 23 der 36 Opfer der Militäroperation die dänische Regierung verklagt und Schadenersatz für die erlittene Folter im irakischen Gefängnis in Basra geltend gemacht. Das Verteidigungsministerium bestritt den Vorfall im Prozess. Kærgaard kontaktierte daraufhin die linke Tageszeitung »Arbejderen« und deckte die Lügen der Armee auf. Der Skandal zwang das dänische Militär, den geheimgehaltenen Bericht einzugestehen. 18 Opfern wurde nach einem Urteil des dänischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2018 zunächst Schadenersatz zugesprochen. In einer späteren Instanz stellte 2022 dann zwar auch der Oberste Gerichtshof Dänemarks als erwiesen fest, dass die Zivilisten Opfer von Folter geworden waren. Er urteilte jedoch, die dänischen Soldaten seien dafür nicht haftbar, da die Taten von irakischen Soldaten begangen worden waren. Ob die dänische Verteidigungsbehörde dennoch haftbar gemacht werden kann, muss am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof entschieden werden.
Für Kærgaard blieb das Engagement nicht ohne Folgen. Das dänische Militär wollte ihn zwingen, den Namen des Kollegen preiszugeben, der ihm das Video zugespielt hatte. Der Whistleblower schwieg und wurde nach einer sechsmonatigen Haftstrafe zusätzlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Kærgaard wurde mit Preisen ausgezeichnet, gründete die Organisation Veron, die Whistleblower unterstützt, und setzte sich auch erfolgreich für ein Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern ein. Zeitlebens blieb er dem Thema verbunden. »Wer zum Whistleblower wird, vor allem im Bereich des Militärs und der Geheimdienste, muss einen hohen Preis bezahlen. Ich habe meinen Job verloren, meine früheren Freunde. Sogar ein Großteil meiner Familie, in der es eine lange Militärtradition gibt, hat den Kontakt abgebrochen. Dafür habe ich meine Selbstachtung wiedergewonnen. Und ich habe neue Menschen gefunden, die mir gezeigt haben, dass ich nicht allein bin in diesem Kampf.« So beschrieb er es im Februar 2014 gegenüber Zeit Online anlässlich der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Fast auf den Tag genau zehn Jahre danach findet am 14. Februar im dänischen Aarhus seine Beisetzung statt.
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