Atombomben für Europa?

Nach Trump-Äußerungen zur Nato-Beistandspflicht flammt Debatte um Nuklearwaffen für EU wieder auf

Die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands und der EU war auch vor Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine immer wieder ein Thema. Seit Jahrzehnten fordern Friedensbewegte wie auch Politiker den Abzug der US-Atomsprengköpfe aus Deutschland. Etwa 20, inzwischen modernisiert, lagern auf dem Fliegerhorst der deutschen Luftwaffe im rheinland-pfälzischen Büchel. Zum Einsatz würden sie im Ernstfall von deutschen Kampffliegern gebracht.

Die allermeisten Politiker nahmen und nehmen indes, sobald sie von Wahlkämpfern zu Ministern wurden, von der Abzugsforderung Abstand und mutierten zu Verfechtern der Teilhabe, so auch die amtierende Außenamtschefin Annalena Baerbock (Grüne). Immer wieder gibt es zudem Gelegenheiten, die Notwendigkeit nuklearer Abschreckung hervorzuheben, insbesondere seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor zwei Jahren.

Nun hat Donald Trump wieder einmal einen solchen Anlass geboten. Am Montag sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung, er werde, sollte er im November erneut US-Präsident werden, dafür sorgen, dass Nato-Partner, die nicht das Ziel von zwei Prozent Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt erreichten, im Ernstfall nicht mehr durch die Vereinigten Staaten vor Russland beschützt würden.

Daraufhin brachten europäische Politiker prompt erneut die Idee einer EU-Atombombe ins Spiel. Denn, so der Tenor: Spätestens bei einem Wahlsieg von Trump sei kein Verlass mehr auf den nuklearen Schutzschirm, den maßgeblich die USA bislang Europa bieten. Auch die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, bezweifelte nach Trumps Äußerungen, dass Europa zuverlässig gesichert ist. Auf die Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, antwortete Barley dem »Tagesspiegel«, »auf dem Weg zu einer europäischen Armee« könne »auch das ein Thema werden«. Zugleich betonte sie, es liege weiter im Interesse der USA, die nukleare Abschreckung für Europa maßgeblich bereitzustellen.

Seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist Frankreich die einzige Atommacht in der Union. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Deutschland und anderen EU-Partnern bereits mehrfach Gespräche über eine europäische atomare Abschreckung angeboten. Konkret folgte daraus bislang nichts. Am Montagabend machte indes der neue polnische Ministerpräsident Donald Tusk Druck in der Sache. Die Drohung Trumps bezeichnete er bei seinem Antrittsbesuch in Berlin als »kalte Dusche« für all jene, die die »immer realer werdende Bedrohung für Europa weiterhin unterschätzen«, obwohl Russlands Präsident Wladimir Putin wiederholt indirekt den Einsatz von Atomwaffen angedroht habe. »Es wäre also gut, alle Ideen und Projekte, die unsere Sicherheit auch in dieser Hinsicht stärken würden, sehr ernst zu nehmen«, betonte Tusk mit Blick auf das Angebot Macrons.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte hingegen deutlich, dass er auf das bestehende System der nuklearen Abschreckung der Nato setzt. »Wir haben eine funktionierende Nato, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben«, sagte er auf einer Pressekonferenz mit Tusk. Er betonte auch die deutschen Anteile an der nuklearen Kooperation. Eine Diskussion über eine eigene nukleare Abschreckung der EU hatte Scholz bereits im Januar in einem Interview abgelehnt.

Dass die Nato derzeit für die EU zuständig sei, räumte auch Barley ein. Allerdings hatte jüngst auch der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, betont, angesichts der Äußerungen von Trump müsse sich Europa mehr um seine eigene Sicherheit kümmern. Dazu gehöre die nukleare Abschreckung. Und im November hatte der deutsche Politologe Herfried Münkler Europa zu atomarer Aufrüstung der EU geraten. »Wir brauchen einen gemeinsamen Koffer mit rotem Knopf, der zwischen großen EU-Ländern wandert«, hatte er vorgeschlagen.

Die Trump-Äußerungen haben auch die deutsche Debatte um eine weitere Aufstockung der Verteidigungsausgaben nochmals befeuert. Nachdem am Montag Grünen-Politiker Anton Hofreiter seine Forderung nach einer Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigungsetat und Militärhilfe für die Ukraine bekräftigt und eine Verdopplung des Sondervermögens für die Bundeswehr auf 200 Milliarden Euro gefordert hatte, legte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter nach. Der »Süddeutschen Zeitung« sagte er: »Es ist ja völlig klar, dass wir eher 300 statt 100 Milliarden benötigen, damit die Bundeswehr kriegstüchtig wird.«

Zuvor hatte Kiesewetter gefordert, der Ukraine-Krieg müsse »nach Russland getragen« und die ukrainischen Streitkräfte in die Lage versetzt werden, nicht nur russische Ölraffinerien, sondern auch Ministerien und Kommandozentralen »zu zerstören«. Dafür sei die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper nötig. Demgegenüber hatte Kanzler Scholz vor seinem Besuch bei US-Präsident Joe Biden in einem Gastbeitrag für das »Wall Street Journal« beteuert, Deutschland sei nicht im Krieg mit Russland und suche auch keine Konfrontation. Mit Agenturen

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