Brasilien: Bolsonaro droht das Gefängnis

Ermittlungen der Justiz zu Umsturzplänen nehmen Brasiliens Ex-Präsidenten ins Visier

Die rechtliche Aufarbeitung der Verwüstung des Regierungsviertels in Brasília durch rechtsextreme Aktivisten am 8. Januar des vergangenen Jahres kommt voran. Dutzende Beteiligte an dem Aufruhr nach dem Muster des Washingtoner Sturms auf das Kapitol zwölf Monate zuvor erhielten bereits empfindliche Freiheitsstrafen. Unter der Regie des Obersten Richters Alexandre de Moraes nimmt die Justiz aber auch ihre Hinterleute und Anstifter in die Zange.

Im Zentrum der Operation der Bundespolizei mit dem lateinischen Namen »Tempus Veritatis« (Zeit der Wahrheit) zu einer Verschwörung gegen Demokratie und Rechtsstaat stehen Ex-Präsident Jair Bolsonaro und dessen engster Kreis. Erhärtet wird der Verdacht durch ein bei den Ermittlungen entdecktes Dekret, das zur Annullierung der Präsidentschaftswahl von 2022 und zur Verhängung des Ausnahmezustands entworfen wurde. Von Bolsonaro soll das Dokument, das auch die Verhaftung des Obersten Richters de Moraes vorsah, nach neueren Erkenntnissen persönlich überarbeitet worden sein.

Die wie bei Bolsonaros Geistesbruder Donald Trump mit der Lüge von der gestohlenen Wahl mobilisierten radikalen Anhänger des Rechtsextremisten sollten zunächst ein Klima schaffen, um ein Eingreifen des Militärs zur »Wiederherstellung von Recht und Ordnung« zu begründen. Doch das Echo auf die Wahllüge in der Gesellschaft blieb eher dünn.

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Ein Teil des Plans war bereits kurz nach dem Kongresssturm von Brasília bei einer Durchsuchung der Wohnung des letzten Justizministers der Bolsonaro-Regierung, Anderson Torres, gefunden worden. Torres steht zudem im Verdacht, als Sicherheitschef des Bundesdistrikts Warnungen des Geheimdienstes vor dem Aufruhr der Bolsonaristen ignoriert zu haben.

Nach Autorisierung durch Richter de Moraes und mit Billigung der Generalstaatsanwaltschaft durchsuchte die Polizei in der vergangenen Woche 33 Objekte – darunter die Wohnung des Ex-Staatschefs in Brasília und sein Strandhaus bei Rio. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen: zwei enge Berater Bolsonaros und Major Rafael Martins, ein Angehöriger der Spezialkräfte. Dieser soll mit dem Adjudanten des Präsidenten Mauro Cid die Finanzierung des Transports der Demonstranten in die Hauptstadt abgestimmt haben. Cid war bereits im Mai verhaftet worden. Seit September ist er unter Auflagen wieder frei. Valdemar Costa Neto, Chef von Bolsonaros Liberaler Partei, kam kurzzeitig in Gewahrsam, weil bei ihm eine unregistrierte Waffe gefunden worden war.

Bolsonaros Reisepass kassierten die Behörden ein – wogegen er jetzt Rechtsmittel einlegte –, dem Ex-Präsidenten ist zudem die Kommunikation mit anderen Personen untersagt, zu denen die Justiz im selben Zusammenhang ermittelt. Gesucht wird nach weiteren Indizien und Beweisen dafür, dass der damalige Präsident und der harte Kern um ihn herum eine kriminelle Organisation gebildet hatten mit dem Ziel, Bolsonaro trotz der Wahlniederlage gegen den Linkspolitiker Luiz Inácio Lula da Silva illegitim an der Macht zu halten.

Erstmals seit Ende der Diktatur 1985 werden ranghohe Offiziere offiziell der Konspiration gegen die staatliche Ordnung verdächtigt. Wegen einer Mitwirkung an den Putschplänen wird gegen die Generäle Augusto Heleno, damals Chef des Sicherheitskabinetts, Bolsonaros Stabschef Walter Braga Netto und Ex-Verteidigungsminister Paulo Sérgio Nogueira ermittelt. Die Stunde der Wahrheit kann Bolsonaro neben langer Haft den Verlust der politischen Rechte auf Lebenszeit einbringen. Für den 25. Februar hat er seine Anhänger zu einer Großdemonstration in São Paulo aufgerufen.

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