Grünheide: Tesla feuert Gewerkschafter der IG Metall

Neue Hinweise auf Union Busting beim Elektroautobauer

Gunnar Hemmann hätte »nd« viel zu erzählen, sagt er. Doch er darf es nicht. Andernfalls drohen ihm rechtliche Konsequenzen. Mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Tesla hat er vor Gericht einen Vergleich geschlossen, der ihn zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Hemmann ist in der Gewerkschaft IG Metall und war Mitglied im Betriebsrat bei Tesla. Bereits im September letzten Jahres berichtete der »Stern«, dass ihm gekündigt worden sei und mutmaßte: »Womöglich muss er auch gehen, weil er Tesla als kritischer Mitarbeiter zu unbequem ist.« Aussagen eines Gewerkschaftssekretärs der IG Metall, mit dem »nd« sprechen konnte, deuten in eine ähnliche Richtung.

Hemmann legte Kündigungsschutzklage ein, um gerichtlich feststellen zu lassen, »dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist«. Tatsächlich gelingt das in den seltensten Fällen. Vom Arbeitsgericht Berlin erfährt »nd«, dass Hemmann sich bereits am 19. Dezember 2023 mit Tesla in zweiter Instanz verglichen hat. Ergo: Das Arbeitsverhältnis ist aufgelöst. Hemmann wird womöglich eine entsprechende Abfindung erhalten haben.

Zur Erinnerung: Bereits im November 2021, vier Monate vor der Eröffnung der Autofabrik, kommt es in Grünheide überraschend zur Betriebsratswahl – laut IG Metall vornehmlich durch Führungskräfte initiiert. Zu der Zeit gibt es kaum Produktionsarbeitende. In der Konsequenz gewinnt die arbeitgebernahe Liste Gigavoice 10 der 19 Sitze.

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Hemmann kandidiert ebenfalls für Gigavoice, wird erster Nachrücker. Es heißt: »Da oft jemand fehlte, war er fast immer da.« Seine Mitgliedschaft in der IG Metall hält Hemmann zunächst geheim. »Nachdem das rauskommt, wird er nach eigenen Angaben unter Druck gesetzt«, berichtete der »Stern«. Ein IG-Metall-Funktionär schildert »nd« die Kultur im Betriebsrats als sehr hierarchisch und intransparent den Mitgliedern gegenüber. Wichtige Dokumente seien nicht allen zugänglich gemacht worden. »Während einer Debatte soll versucht worden sein, Gunnar, der akribisch Notizen machte, diese abzunehmen.«

Der Wochenzeitung »Freitag« sagte Hemmann, dass es gleich bei der ersten Betriebsvereinbarung Stress gegeben habe. Vom »Kipppunkt« spricht der IG-Metall-Sekretär: »Der von der Betriebsratsspitze zur Abstimmung vorgelegte Entwurf las sich wie aus der Feder des Managements«, habe gesetzliche Standards unterlaufen. In der Debatte sei es Hemmann und ein paar anderen gelungen, die Stimmung zu drehen. Der Entwurf sei in geheimer Abstimmung abgelehnt worden.

»Daraufhin, so wurde uns berichtet, gab es helle Aufregung in der Betriebsratsspitze und beim Management«, schildert der Gewerkschafter. Die nächste Sitzung habe online stattgefunden, wodurch alle Mitglieder teilnehmen konnten und Hemmann nicht nachrückte. Der gleiche Entwurf sei nochmals zur Abstimmung vorgelegt und diesmal angenommen worden. »Der Druck auf die Mitglieder muss enorm gewesen sein«, sagt der IG-Metall-Funktionär.

Ein paar Wochen später habe Hemmann sechs Abmahnungen auf einmal erhalten. Eine Zeit lang konnte er, psychisch angeschlagen, nicht in die Fabrik. Nachdem er für eine Betriebsratssitzung wieder ins Werk gekommen sei, habe er die außerordentliche Kündigung erhalten. Die Begründungen hätten sich alle auf einen Tag bezogen »und wirkten auf uns sehr konstruiert und zusammengesucht«, sagt der Gewerkschaftssekretär.

Um einem Betriebsratsmitglied zu kündigen, bedarf es der Zustimmung des Betriebsrates, sonst muss ein Gericht entscheiden, ob es die Zustimmung ersetzt. Der IG-Metall-Funktionär erklärt, dass Betriebsräte normalerweise alles dafür tun, die Kündigung eines Mitglieds abzuwenden. Ein begründeter Widerspruch sei das Mindeste. Stattdessen habe der Betriebsrat in einer kurzfristig anberaumten außerordentlichen Sitzung der Kündigung zugestimmt, »ohne den betroffenen Kollegen auch nur anzuhören – das ist die vielleicht größtmögliche Verfehlung, die sich ein Betriebsrat leisten kann«. Zumal ein Zusammenhang mit Hemmanns Rolle im Betriebsrat mehr als nahegelegen habe, »auch wenn das natürlich so nicht in der Begründung stand«.

Hemmann ist Ingenieur für Automatisierungstechnik. Bei Tesla verdiente er wie ein Manager. Dass sich derlei Berufsgruppen gewerkschaftlich engagieren und für die Kolleg*innen am Band starkmachen, sei eher untypisch, doch notwendig, erzählt er. »Gerade in einem hochprofitablen Konzern sollten Gewinne nicht auf dem Rücken unterbezahlter Mitarbeiter erwirtschaftet werden«, sagt Hemmann.

»Gunnar hatte vor nichts Angst und hat kluge Betriebsratsarbeit im Sinne der Belegschaft gemacht«, sagt der IG-Metall-Sekretär. »Er wurde als Wortführer identifiziert und gezielt angegangen.« Im nächsten Betriebsrat werde das hoffentlich nicht wieder funktionieren. Der Funktionär blickt vorsichtig optimistisch auf die nun anstehende Wahl: Viele aktive IG-Metaller*innen würden kandidieren. »Die gewerkschaftliche Basis ist jetzt auf jeden Fall größer. Aber auch die Einschüchterungs- und Desinformationskampagne der Gegenseite läuft auf Hochtouren.«

Tesla ließ eine Anfrage unbeantwortet. Die für Tesla im Kündigungsverfahren mandatierte Kanzlei Heuking lehnte eine Stellungnahme ab.

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