Wegner bei der IHK: Zweifel an Artenschutz und 29-Euro-Ticket

Kai Wegner schmeichelt der IHK – und stellt Artenschutz und 29-Euro-Ticket infrage

Heimspiel für Kai Wegner (CDU): Mit der Industrie- und Handelskammer, bei der der Regierende Bürgermeister am Mittwoch auftrat, teilt er viele politische Forderungen. Entsprechend entspannt verlief für Wegner die morgendliche Diskussionsrunde. Von der Moderation musste er nur rhetorische Wattebäuschchen statt kritischer Fragen erwarten.

Im Kreise Gleichgesinnter leistete sich der Christdemokrat einige Sticheleien gegen andere Parteien, die man von dem sonst um Ausgleich bemühten Politiker nicht gewohnt ist. »Ich freue mich, wenn Sie Geld verdienen«, sagte Wegner in Richtung der versammelten Unternehmer und schob einen Seitenhieb gegen den Vorgängersenat nach: »Das war in Berlin ja nicht immer so.«

Auch der Koalitionspartner SPD bekam sein Fett weg: »Wir brauchen mehr Public-Private-Partnership-Programme«, sagte Wegner. Dabei geht es um Projekte, die staatliche Behörden und private Unternehmen gemeinsam stemmen. »Beim Koalitionspartner nennt man das lieber ›kreative Finanzierungswege‹, aber mir ist egal, wie man das Kind am Ende nennt«, fügte Wegner spitzbübisch hinzu. Als Beispiele für Felder, in denen private und staatliche Akteure zusammenarbeiten könnten, nannte er Schulneubau, Infrastruktur und Schwimmbäder. »Aus dem Landeshaushalt alleine können wir das nicht stemmen«, so Wegner.

Der Landeshaushalt ist bekanntermaßen ohnehin angeschlagen. In allen Ressorts sollen Pauschale Minderausgaben in Höhe von 5,6 Prozent des Budgets eingespart werden, insgesamt geht es um etwa 1,75 Milliarden Euro. Wegner verteidigte dieses Vorgehen nach der Rasenmäher-Methode: »Erst mal muss jeder seine Hausaufgaben machen, dann setzen wir Schwerpunkte«, sagte er. Kürzungspotenzial gebe es in allen Senatsressorts. Wegner betonte allerdings erneut, keine Kürzungen bei Bildung und Zukunftsinvestitionen vornehmen zu wollen. Zudem will der Regierende an die Schuldenbremse ran: »Da geht es dann aber nicht darum, noch mehr Mittel für Bürgergeld und andere konsumptive Ausgaben bereitzustellen, sondern Investitionen in die Zukunft sicherzustellen«, so Wegner.

Ungewohnt offen sprach der Regierende auch über seine Ziele in der Wohnungspolitik. Mit dem Schneller-Bauen-Gesetz, das der Senat im Verlauf des Jahres verabschieden will, sollen nach Wegners Willen Vorgaben beim Artenschutz fallen. »Es kann nicht sein, dass Zauneidechsen die Stadtentwicklung stoppen«, sagte er. Auch beim Denkmalschutz sollen die Vorgaben gelockert werden: »Es ist wichtig, dass die Stadt schön aussieht, aber Denkmalschutz darf nicht zur Verhinderungsbehörde werden.«

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Wohnungsbau müsse in allen Preissegmenten stattfinden. »Wir müssen auch an die denken, die zu viel verdienen, um einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen«, so Wegner. Das sei zentral für die Fachkräftegewinnung: »Es ist nicht schwer, in Berlin einen Job zu finden. Aber eine Wohnung zu finden, ist quasi unmöglich.«

Auch an anderer Stelle will Wegner weniger auf Sozialpolitik setzen: Das 29-Euro-Ticket stehe auf seiner Prioritätenliste »nicht an erster Stelle«, sagte er. Er unterstütze das Berlin-Ticket zwar, Priorität müssten aber Sicherheit und Sauberkeit im öffentlichen Nahverkehr haben.

Als größte Aufgabe für seinen Senat sieht Wegner die Verwaltungsreform. »Wenn wir diesen Bremsklotz lösen, dann wird das eine große Dynamik von Wachstum auslösen«, sagte er. Er wolle dabei nicht nur Einigkeit mit dem Koalitionspartner, sondern auch mit der Opposition herstellen. Ein erstes Verständigungstreffen mit den Fraktionsspitzen von Grünen und Linke hatte Mitte des Monats stattgefunden. »Wir brauchen auch die Opposition, damit wir die Landesverfassung ändern können«, so Wegner. »Dann kann eine nachfolgende Landesregierung das nicht mit einfacher Mehrheit ändern.«

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!