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Streik bei der BVG: Existenzfrage Entlastung
Im Tarifkampf des Nahverkehrs geht es in Berlin vor allem darum, die Personalkrise in den Griff zu kriegen
Als am Donnerstagmorgen die Streikkundgebung vor der Zentrale der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) an der Jannowitzbrücke eröffnet wird, knallt die Sonne auf den Asphalt. Es ist sonst recht frostig. Und dennoch finden sich kaum Leute vor der Bühne ein. Auch am Kaffeestand und beim Imbiss stehen nur wenige. Die Masse drängt sich im Schatten um einen kleinen roten Pavillon der Gewerkschaft Verdi, hier liegen die Listen aus, in die sich die Mitglieder eintragen müssen, um Streikgeld zu bekommen. Die Polizei teilt »nd« mit, dass 2000 Personen zu der Kundgebung gekommen sind, Verdi spricht von 4000.
Während der Rede des Verdi-Vorsitzenden Frank Werneke finden sich nach und nach immer mehr Teilnehmende auch vor der Bühne ein. Die zwölf Forderungspunkte, die Verdi in Berlin erhebt, und die die Beschäftigten in erster Linie entlasten sollen, bezeichnet Werneke als angemessen und gerecht. Die BVG steht vor einem massiven Personalproblem. Bei insgesamt 16 000 Beschäftigten muss bis 2027 eine Personallücke von 10 000 Mitarbeiter*innen geschlossen werden. Werneke hob die Verantwortung der Politik für das landeseigene Verkehrsunternehmen hervor: »Der Senat scheint über allem zu stehen. Während reihenweise Busse ausfallen, redet er von einer Magnetschwebebahn.«
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Ein neuer Tarifvertrag mit besseren Arbeitsbedingungen soll dafür sorgen, dass sich junge Menschen für einen Berufsweg bei der BVG entscheiden und gleichzeitig verhindern, dass Kolleg*innen abwandern. Ein Straßenbahnfahrer und Personalrat sagt, dass jeden Monat fünf bis zehn Kolleg*innen das Unternehmen verlassen würden. Dabei würden die personalstarken Jahrgänge erst in den kommenden Jahren in Rente gehen: »Ab 2026 wird es richtig schlimm«. Wenn sich bis dahin nichts ändert, müsse mit einer »Taktausdünnung« gerechnet werden. »Wir haben eine Fluktuation«, sagt er, »die ist nicht mehr normal.« Über die Jahre sei »der Markt an uns vorbeigezogen«. In Nordrhein-Westfalen würden Straßenbahnfahrer*innen 700 Euro mehr verdienen.
»Wir müssen die ausfallenden Dienste kompensieren«, sagt ein Kollege aus der Verwaltung der U-Bahn. Projekte der Zukunftsentwicklung, mit denen er befasst ist, müssten dadurch liegen bleiben. Seit 38 Jahren arbeite er bei der BVG. »Das Personalproblem ist uralt, aus der Zeit des rot-roten Senats Anfang der 2000er. Damals galt sparen, bis es quietscht.« Mittlerweile würden zwar Maßnahmen ergriffen, aber die Demografie wirke dem entgegen. Es seien vor allem die jungen Kolleg*innen die abspringen, die es sich doch wieder anders überlegen.
»Mit uns kann man alles machen«, sagt eine Gruppe junger Straßenbahnfahrer ganz unironisch. Sie sind Enthusiasten. Über die Arbeit hinaus bilden sie eine Interessengemeinschaft, fahren durch Europa um die regionalen Nahverkehrssysteme kennenzulernen. Auch sie spüren den Druck auf die Personalstruktur. »Wir können zwar immer nur eine Bahn gleichzeitig fahren, dennoch sind wir permanent im Stress. Die Fahrzeuge werden voller, die Pausen kürzer.«
Die Entlastung durch mehr Urlaub, längere und festgelegte Pausenzeiten würde die Personaldecke zunächst weiter belasten. Doch die Hoffnung ist, dass sich die Investitionen in der Zukunft auszahlen und sich die Probleme nicht noch potenzieren. Verdi sieht zudem Möglichkeiten, dass die Anpassungen, die Effizienz des gegenwärtigen Personalstocks erhöhen: insbesondere durch den Abbau des Krankenstandes.
Der Berliner Haushalt ist angespannt. Zuletzt wurde ähnlich wie im Bund das Klimasondervermögen gestrichen. Verdi-Sekretär Gordon Günther sagt »nd«: »Wir äußern uns nicht zu einem Betrag, den ein funktionierender ÖPNV kostet. Das liegt in der Verantwortung der Politik, ebenso festzustellen, wo das Geld herkommen kann.«
Auch die Gruppe der Tramfahrer zeigt auf die Politik. Auf vielen Strecken könnten die Bahnen nur langsam fahren. Um den Takt aufrecht zu halten, müssten dann mehr Fahrzeuge und Fahrer*innen eingesetzt werden. Das läge an den vielen Baustellen, dem kaputten Netz und dem fehlenden »Vorrang« für den ÖPNV. »In Berlin müssen wir an mit Ampeln bestückten Fußgängerübergängen halten, auch wenn keine Fußgänger da sind.« In München sei es gelungen, durch einen hundertprozentigen Vorrang die Fahrzeiten um 80 Prozent zu verknappen. »In Berlin brauchen wir viel Personal, weil wir nicht vernünftig fahren können.«
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