Neues Rentenpaket am Aktienmarkt

Das von der Regierung geplante »Generationenkapital« sorgt für Kritik

Seit mehreren Monaten angekündigt, war es am Dienstagvormittag endlich so weit: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) präsentierten das Rentenpaket II. Das Ziel der Reform ist allem voran Planungssicherheit, die Ampel möchte das Rentenniveau dauerhaft auf 48 Prozent des Durchschnittsgehalts festschreiben. Bisher war das bis 2025 der Fall. Das neue Rentenpaket war dementsprechend überfällig. Bis zur parlamentarischen Sommerpause soll es im Bundestag beschlossen werden, so der Vorsatz.

Für Furore sorgte vorab das »Generationenkapital«, ein milliardenschwerer Kapitalstock am Aktienmarkt, der künftig dem demografischen Wandel entgegenwirken und Beitragszahlungen vermindern soll. Somit werden Renditen, neben Beiträgen von Arbeitgebenden und Beschäftigten sowie Förderungen durch den Bund, als dritte Säule der Finanzierung der Rentenversicherung gefestigt. Bis Mitte der 2030er Jahre soll ein Gesamtvolumen von mindestens 200 Milliarden Euro aufgebaut werden. Jeweils zehn Milliarden werden in weiterer Folge an die gesetzliche Rentenversicherung ausgeschüttet und sollen so zu einer Beitragsverminderung von 0,3 Prozent ab 2035 führen. Eine Stiftung öffentlichen Rechts soll über die Anlagen des Fonds entscheiden. Vorbild dafür ist der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, der Kenfo.

Laut Lindner ist das Rentenpaket ein »sozial-liberaler Kompromiss«. Es wird weder eine Rentenkürzung geben noch eine weitere Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, wie im Koalitionsvertrag von Seiten der SPD festgelegt. Das Eintrittsalter liegt im Moment durchschnittlich bei 64 Jahren und wird bis 2031 auf 67 Jahre steigen. Mit dem »Generationenkapital« nähert sich die FDP der »Aktienrente« an, für die sie sich im Wahlkampf eingesetzt hatte. Beitragsgelder fließen aber, wie ursprünglich geplant, nicht in den Kapitalstock.

Die Sozialverbände äußerten sich dazu skeptisch. Im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur befürchtete Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), das »Generationenkapital« könne eine Vorstufe der Aktienrente sein. Lindner zerstreute derlei Bedenken nicht. Er betonte, das »Generationenkapital« sei ein »erster wichtiger Schritt«, um eine allgemeine Debatte über das Vertrauen in privates Kapital anzustoßen. Die neue Maßnahme bezeichnete er dementsprechend als »Generationenkapital 1.0«. Nachhaltig sei das Rentenniveau erst, führte Engelmeier weiter aus, wenn es auf 53 Prozent angehoben werde. Arbeitsminister Heil reagierte auf jene Forderung »von ganz links«, wie er es ausdrückte, nüchtern. Die Regierung könne »nicht alles, was gewünscht, sondern was realistisch ist«, umsetzen. Wichtige Faktoren zur Sicherung der Rente seien ohnehin die neuen Gesetze zur Behebung des Fachkräftemangels, zur Förderung des inklusiven Arbeitsmarkts und zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung.

Daran, was nun realistisch scheint, stößt sich Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Sie kritisierte das Finanzministerium, das in den vergangenen Monaten wiederholt auf sozialpolitische Einsparungen bestanden habe, nun aber eine aktienbasierte »Lindner-Rente« finanziere. Dies sei höchstens ein »kosmetischer Schritt«, für den neue Schulden in Kauf genommen würden. Die wahren Versäumnisse des Rentensystems, insbesondere die fehlende Berücksichtigung von Sorgearbeit, würden in dem neuen Paket nicht angegangen. Für Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), schafft das Rentenpaket zwar »Vertrauen in den Sozialstaat«. Das »Generationenkapital« sei jedoch eine »Wette mit offenem Ausgang«, insbesondere, da es keinen zuverlässigen Schutz für die Rente darstelle.

Matthias W. Birkwald, Rentensprecher der Gruppe Die Linke im Bundestag, sieht das Vertrauen in die gesetzliche Rente durch die Reform verspielt. Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag nach 35 Versicherungsjahren liege zurzeit bei 1384 Euro und damit knapp 100 Euro über der Armutsschwelle der EU. Eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent reiche demnach nicht aus. Birkwald fordert eine »sofortige, zusätzliche, einmalige und außerordentliche Rentenerhöhung um zehn Prozent«. Dies würde das Rentenniveau auf 53 Prozent heben. Generationengerecht sei das Rentenpaket II ebenfalls nicht, insbesondere wenn der Plan sei, wie beim Kenfo in Immobilien und Pflege anzulegen, und damit Mieten und Pflegeheimkosten nach oben getrieben würden.

Als »Casino-Rente« und »sozialen Tiefpunkt der SPD« bezeichnet indes Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der gleichnamigen Partei, die Reform. Sie forderte eine Abstimmung über die Rente, ähnlich jener in der Schweiz. Dort gab es am Wochenende einen Volksentscheid zugunsten einer 13. monatlichen Rentenzahlung.

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