Berliner Burschenschaft Gothia: Fall für den Verfassungsschutz?

Berliner Verfassungsschutz beobachtet rechtsextreme Burschenschaftler

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 5 Min.
Nur Traditionspflege oder ein heimliches Nazi-Netzwerk? Der Berliner Verfassungsschutz beobachtet nun rechtsextreme Burschenschaftler.
Nur Traditionspflege oder ein heimliches Nazi-Netzwerk? Der Berliner Verfassungsschutz beobachtet nun rechtsextreme Burschenschaftler.

»Furchtlos und beharrlich« steht auf einem Plakat, das die Fassade des »Gothenhauses« schmückt. Im Garten weht an einem Mast die orange-weiß-schwarze Fahne der Burschenschaft Gothia, neben der Eingangstür stehen Bierfässer. Dieses Foto der Villa in Steglitz-Zehlendorf findet sich auf der Website der pflichtschlagenden und farbentragenden Verbindung.

Was auf den ersten Blick nach Tradition plus Besäufnis aussieht, funktioniert als gefährliches Netzwerk, das konservative mit rechtsextremen Strukturen verbindet. »Furchtlos und beharrlich« lädt die Gothia immer wieder rechtsextreme Akteur*innen zu Veranstaltungen ein. Nach einer »Spiegel«-Recherche, die unter anderem die Verbindung des ehemaligen CDU-Finanzsenators Peter Kurth zu der Burschenschaft offenlegte, hat sich nun am Montagnachmittag der Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses mit Gothia und anderen rechten Studentenverbindungen in Berlin befasst. Auch wenn sich der Landesverfassungsschutz gewohnt bedeckt hält, gibt er eine Neuigkeit preis: Er beobachtet bestimmte Berliner Burschenschaftler.

Rund 50 studentische Verbindungen gibt es in Berlin. »Im Gegensatz zu vielen kleineren Universitätsstädten wird dies aber kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen«, schreibt die Studierendenvertretung der Humboldt-Universität online. »Ein Grund dafür ist sicherlich das Verbot des öffentlichen Werbens oder Tragens der Couleur an Berliner Universitäten.«

Nicht alle Verbindungen sind Burschenschaften und nicht alle stehen politisch eindeutig rechts. Doch vier Berliner Burschenschaften, die Arminia, Märker, Thuringia und Gothia, gehören dem Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) an – von den drei bundesweiten Dachverbänden gilt der DB als der rechteste. »Diese Burschenschaften haben sich dazu entschieden, die Mitgliedschaft an ein völkisches Verständnis von Deutsch-Sein zu knüpfen«, bezieht sich Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, auf die Regelung innerhalb des DB, Deutsche mit Migrationshintergrund nicht aufzunehmen. Er begrenzt deshalb den Besprechungsantrag bewusst nicht auf die Gothia. »Es geht um die allgemeine Frage, ob es eine gezielte Vernetzungsstrategie der Burschenschaften gibt, um auf konservative bis rechtskonservative Kreise einzuwirken, die sich sehr häufig über Burschenschaften organisieren.«

Zumindest diese Frage beantwortet der SPD-Staatssekretär für Inneres, Christian Hochgrebe, für die Verfassungsschutzbehörde mit einem klaren »Ja«: »Burschenschaften spielen eine relevante Rolle bei der Vernetzung der Szene.« Der Berliner Verfassungsschutz gehe davon aus, dass die Verbindungen mit extrem rechten Gruppen wie der Identitären Bewegung nicht zufällig bestünden und erkenne hier eine »strategische Zusammenarbeit«. Welche Burschenschaften konkret unter Beobachtung stehen und welche weiteren Kooperationen die Behörde festgestellt hat, verrät Hochgrebe im öffentlichen Teil der Sitzung jedoch nicht.

Doch es ist davon auszugehen, dass unter die Beobachtung Gothia-Burschenschaftler fallen. »Die Gothia nimmt hier in Berlin, was Burschenschaften betrifft, zum Thema Rechtsextremismus eine exponierte Stellung ein«, sagt Simon Brost von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) zu »nd«. Sie positioniert sich innerhalb des DB noch einmal besonders rechts und organisiert sich gemeinsam mit anderen Burschenschaften in der als rechter Flügel bekannten Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG). Für ihre Umtriebe mit rechtsextremen Akteur*innen finden sich einige Beispiele: Manche Burschenschaftler sind parallel bei der Jungen Alternative und der Identitären Bewegung aktiv, im Mai 2017 feierten die beiden Gruppen auf dem Gelände der Zehlendorfer Villa ein Gartenfest, dort finden zudem regelmäßig Vorträge des rechtsextremen Think-Tanks »Institut für Staatspolitik« statt.

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Zugleich finden sich immer wieder vermeintlich bürgerlich-konservative Politiker im Umfeld der Gothia. Neben dem Ex-CDU-Finanzsenator Peter Kurth, der laut »Spiegel«-Recherchen seit 2014 im Vorstand der Altherrenvereinigung der Gothia sitzt und seit 2023 den Vorsitz innehat, musste sich auch der Berliner CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke für seine mutmaßliche Nähe rechtfertigen. Er soll nach eigenen Angaben Mitglied der Schülergruppe Iuvenis Gothia gewesen sein, laut »Spiegel« fand er sich jedoch noch 2023 im E-Mail-Verteiler. Dazu kommen ältere Beispiele wie Michael Büge, ehemals CDU-Staatssekretär für Gesundheit und Soziales, mittlerweile aber für die AfD Rheinland-Pfalz tätig. »Ob das Einzelfälle sind, mag jeder für sich selbst beurteilen, aber es gab schon eine ganze Reihe von Einzelfällen«, sagt Brost. Er bezeichnet die Gothia deshalb als »Scharnier zwischen rechtem Konservatismus und Rechtsextremismus«, das besondere Aufmerksamkeit verdiene: »Die CDU ist gefordert, diese Fälle aufzuklären, auch wenn es unangenehm ist.«

Dabei geht es nicht um die Gefahr, Grenzen zwischen konservativen und rechtsextremen Haltungen zu verwischen und Menschenfeindlichkeit zu normalisieren. Auch finanziell können Burschenschaften den rechten Rand stärken: »Sie versprechen eine Netzwerk- und Karrierefunktion, da kann es dann auch um finanzielle Unterstützung gehen«, so Brost. Peter Kurth, der laut »Spiegel« die Identitäre Bewegung mit Millionen Euro beim Kauf von Immobilien gesponsert haben soll, sei da ein gutes Beispiel.

Die Berliner Register weisen zudem darauf hin, was die Präsenz der Gothia für den Berliner Südwesten bedeutet. »Es gibt dann rechtsextreme Sticker und Graffiti in den Straßen drum herum, auch das Schlagwort ›Remigration‹ hat in solchen Propaganda-Vorfällen zugenommen«, sagt ein Mitarbeiter der Meldestelle zu »nd«. Ein Zusammenhang mit rechtsextremen Übergriffen lasse sich nicht nachweisen. Derzeit mangele es in der Zehlendorfer Nachbarschaft an Sensibilisierung: »Vor Ort haben sich in den letzten Jahren nur wenige Initiativen der rechten Raumnahme entgegengestellt, wie die Omas gegen Rechts. Zuletzt gab es ein breites Protestbündnis gegen eine Veranstaltung in der ›Staatsreparatur‹.«

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