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Milde Strafen gegen Neonazis aufgehoben
Bundesgerichtshof kassiert Urteile in Prozess um brutale Attacke auf Journalisten in Thüringen
Der Prozess um einen brutalen Überfall von Neonazis auf zwei Journalisten im thüringischen Fretterode muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil des Landgerichts Mühlhausen am Mittwoch auf. Jetzt muss eine andere Strafkammer des Gerichts den Fall noch einmal von vorn verhandeln.
Selten hatte ein Urteil derart umfassend für Empörung gesorgt. Von einem »Schlag ins Gesicht« aller engagierten Reporter*innen und einem »fatalen Signal an die rechtsextreme Szene« sprach die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion in der Gewerkschaft Verdi. Von einem »Freifahrtschein« für Neonazis die Grünen-Fraktion im Thüringer Landtag.
Im April 2018 hatten zwei Männer aus dem nächsten Umfeld des Neonazikaders Thorsten Heise – der eine sein Sohn, der andere sein politischer Ziehsohn – die beiden Reporter erst im Auto über die Straßen rund um das Dorf Fretterode gejagt und sie schließlich mit einem Messer und einem gewaltigen Schraubenschlüssel schwer verletzt. Heise ist Bundesvize der NPD, die sich heute »Die Heimat« nennt, und seit Jahrzehnten eine der einflussreichsten Figuren des militanten Neonazismus in Deutschland und Europa. Die Journalisten hatten an jenem Tag ein vermutetes Treffen von Neonazis auf seinem Anwesen in Fretterode dokumentieren wollen.
Das Landgericht ließ Heise-Sohn Nordulf indes mit 200 Arbeitsstunden und den anderen Täter, Gianluca B., mit einer zwölfmonatigen Bewährungsstrafe davonkommen. Nach einjähriger Verhandlung erkannte das Gericht im September 2022 weder einen gezielten Angriff auf die Presse noch eine politisch motivierte Tat. Es sei den Angeklagten vorrangig darum gegangen, das Fotografiertwerden zu verhindern, befand die Strafkammer.
Vor dem BGH stützten Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihre Revisionsanträge vor allem darauf, dass die Neonazis vom schwerwiegendsten Vorwurf freigesprochen worden waren: dem Raub der Fotoausrüstung. Das Landgericht hatte das mit widersprüchlichen Angaben der Journalisten begründet: Während der eine von einem Griff durchs Fahrerfenster ihres Autos berichtet hatte, glaubte der andere, den Raub auf der Beifahrerseite beobachtet zu haben. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft sagte dazu am Mittwoch, die Beweiswürdigung sei »lückenhaft« und werde den rechtlichen Anforderungen »nicht ansatzweise gerecht«.
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Nebenklageanwalt Rasmus Kahlen vermisste zudem eine Berücksichtigung des von der Strafkammer angenommenen Tatmotivs: Wenn es den Neonazis um ihr Recht am eigenen Bild gegangen sei, warum hätten sie dann ausgerechnet die Fotoausrüstung links liegen lassen sollen? Dem schloss sich der 2. Strafsenat des BGH nun an. Die Aussagen von Beteiligten und Zeug*innen würden im Urteil nicht nachvollziehbar wiedergegeben, es fehle an einer Gesamtwürdigung aller Indizien, erklärte Senatsvorsitzende Eva Menges. Und: »Gänzlich unerörtert bleibt die Frage nach dem Verbleib der Kamera.«
Den Revisionsantrag des Angeklagten Nordulf H. wies der Senat dagegen als unbegründet zurück. Obwohl einer der Journalisten einen Messerstich im Bein davongetragen hatte, hatte sein Verteidiger Wolfram Nahrath einen Messerangriff als nicht für erwiesen dargestellt. Außerdem forderte er, seinen Mandanten von den Kosten des aufwendigen Gerichtsverfahrens zu befreien. »Er ist durch einen höheren fünf-, wenn nicht sechsstelligen Betrag belastet«, klagte der Szene-Anwalt. Das habe »den Charakter einer unbotmäßigen Geldstrafe«. Richterin Menges erklärte kühl, für die Kosten sei das Landgericht zuständig.
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