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Wie gewinnt man den Frieden?
Kandidat*innen für das EU-Parlament diskutieren über Atomwaffen
Spätestens seit Katharina Barley Mitte Februar europäische Nuklearwaffen ins Gespräch gebracht hat, sind Atomwaffen wieder breit in der Diskussion. Die Gedankenspiele der Sozialdemokratin bezogen sich auf Ankündigungen Donald Trumps, als US-Präsident diejenigen Staaten nicht mehr zu schützen, die das Zwei-Prozent-Ziel der Nato unterschreiten.
EU-Atombomben! Natürlich springen bei dem Thema in der Friedensbewegung alle Sirenen an. Für eine Veranstaltung am Samstag in Düsseldorf haben sich mehrere friedenspolitische Initativen zusammengeschlossen und Mitglieder des EU-Parlaments sowie Kandidat*innen zur Podiumsdiskussion eingeladen. Doch von Union und FDP gab es nur Absagen. »Trotz sehr frühzeitiger Anfragen, aus ›terminlichen Gründen‹«, wie Marvin Mendyka von der Friedenskooperative erklärte. »Wir bedauern das sehr, denn wir sind der Meinung, dass Parteien, die die nukleare Abschreckung als wichtige Säule der Sicherheits- und Verteidigungspolitik betrachten, dies auch gegenüber der Öffentlichkeit vertreten und sich der kontroversen Debatte stellen sollten.« Gekommen sind dafür Vertreter*innen von SPD, Grünen, Linke und BSW. (Die ganze Diskussion gibt es bei Youtube als Aufzeichnung.)
Der Buhmann in der Runde war eine Frau, Jutta Paulus, seit 2019 für die Grünen im Europaparlament, wo sie vor allem am Green Deal mitgearbeitet hat. Sie ist der Meinung, dass die Debatte über europäische Atomwaffen wenig Substanz habe. Selbst wenn man das wolle, sei eine Umsetzung höchst kompliziert. Im weiteren Verlauf verweist sie auf das Grüne-Programm. Dort steht, dass sich die Partei für eine atomwaffenfreie Welt einsetzt. Im Koalitionsvertrag hat man das nicht verankern können. Dem Publikum gefallen solche Eingeständnisse nicht. Als Paulus betont, dass eine Kapitulation der Ukraine nicht »der Weg zum Ende des Krieges« sei, erntet sie genauso Widerspruch wie mit ihrer Meinung, dass die Lieferung von Waffen an ein Land, das sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wehrt, keine Militarisierung sei.
Am stärksten geriet die Grünen-Abgeordnete mit dem Publikum aneinander, als sie auf Thomas Geisel antwortete. Der ehemalige Düsseldorfer Oberbürgermeister ist Spitzenkandidat des Wagenknecht-Bündnisses BSW. Geisel sprach in der Schlussrunde davon, dass es entscheidend sei, »den Frieden zu gewinnen«. Wenn die Ukraine Gebiete abtrete, schaffe sich Wladimir Putin nur einen neuen Unruheherd. Paulus widersprach: Es zuzulassen, dass Russland eine »Terrorherrschaft« wie in Donezk errichte, habe nichts mit »Frieden gewinnen« zu tun. Für die Äußerung erntete sie wütende Zwischenrufe.
Neben Geisel und Paulus saßen auf dem Podium noch Özlem Alev Demirel, EU-Abgeordnete der Linken, und ihr sozialdemokratischer Kollege Dietmar Köster. Köster, der im Juni nicht wieder antritt, gab sich kritisch gegenüber seiner Partei und gab offen zu, dass er mit seinen friedenspolitischen Positionen oft in der Minderheit sei. Er warnte vor der »realen Gefahr« einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Kriegs. Kösters Analyse: »Die pazifistischen Kräfte müssen derzeit Abwehrkämpfe führen.« Die wichtigste Aufgabe sei es, dass der Krieg in der Ukraine »gestoppt« oder »eingefroren« werde, womit er indirekt seinen Parteikollegen Rolf Mützenich unterstützte, der für eine ähnliche Äußerung seit Tagen Feuer bekommt.
Özlem Alev Demirel wiederum weitete den Blick. Sie lese viel über 1914 und wie es damals zum Weltkrieg kam, erzählte sie. Sie glaubt zwar nicht, dass sich Geschichte wiederholt, aber sie erkennt »Parallelen«, und die machten deutlich, dass man jetzt handeln müsse. »Im Hintergrund« werde schon länger über europäische Atomwaffen diskutiert. Jetzt werde die Angst der Bevölkerung »zynisch« für Militarisierung ausgenutzt, so Demirel. Einen Grund zur Partystimmung gebe es nur bei der Rüstungslobby.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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