Massenproteste in Indien gegen CAA

Regierung setzt umstrittenes Einbürgerungsgesetz in Kraft, das bei Muslimen heftige Ängste schürt

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

»Nieder mit dem CAA!« steht auf den Transparenten, die die Demonstrierenden mit sich führen. Es sind ähnliche Bilder aus vielen Ecken des Landes, die in den vergangenen Tagen durch die Zeitungen, soziale Medien und über TV-Bildschirme gingen. Ob in der Hauptstadt Delhi – dort vor allem Studierendengruppen mehrerer Unis –, im nordöstlichen Teilstaat Assam, in Chennai (vormals Madras) mit einem Lichtermarsch oder in Kolkata (vormals Kalkutta): Überall gehen Menschen gegen ein Gesetz auf die Straße, das mit vollem Namen Citizenship (Amendment) Act heißt, kurz CAA.

Für die Demonstrierenden ist das Gesetz ein gefährlicher erster Schritt, um womöglich demnächst ein nationales Bevölkerungsregister zu schaffen und dann die größte Minderheit im Land, die 180 Millionen Muslime, um ihre Staatsbürgerschaft zu bringen. Selbst hohe Regierungsvertreter hatten wiederholt eine gewisse inhaltliche Verbindung beider Gesetzesprojekte bekräftigt.

Zu den Besonderheiten des CAA gehört, dass es schon Ende 2019 beschlossen wurde. Im Zuge von Massenprotesten, die damals das Land erschütterten, weil zudem in Assam ein lokales Bevölkerungsregister eingeführt wurde und 1,9 Millionen Menschen (mehrheitlich Muslime) als staatenlos ausgespart blieben, wurde es aber zunächst nicht umgesetzt.

Erst jetzt, einen Monat vor den am 19. April beginnenden Parlamentswahlen in der »größten Demokratie der Welt«, holte die von der Bharatiya Janata Party (BJP) dominierte hindunationalistische Regierung von Premier Narendra Modi dies nach und setzte den CAA am 12. März in Kraft. Modi selbst überließ es dabei vor allem seinem Innenminister Amit Schah, die Entscheidung gegenüber Protestierenden, Oppositionsvorwürfen sowie kritischen Anmerkungen der Presse und aus dem Ausland immer wieder zu verteidigen.

Das Hauptargument von Schah und anderen: Niemandem werde durch den CAA etwas weggenommen. Dafür könnten religiös Verfolgte, die aus Pakistan, Bangladesch und Afghanistan stammen und mindestens seit 2014 in Indien sind, einfacher eingebürgert werden. Der unmittelbare Kritikpunkt aber dabei: Das Gesetz listet die in diesen drei Ländern zu den Minderheiten zählenden Hindus sowie Buddhisten, Sikhs, Parsen, Jains und Christen auf. Muslime sind ausgespart, obwohl gerade die Schiiten im erneut von den Taliban beherrschten Afghanistan ebenfalls verfolgt werden und auch in Pakistan immer wieder Übergriffen ausgesetzt sind.

Muslimische Rohingya, die vor allem nach 2017 aus dem Nachbarland Myanmar flohen, fallen ebenfalls nicht darunter. Von einem diskriminierenden Gesetz spricht deshalb auch Human Rights Watch (HRW) und fordert Indien auf, statt selektiver Entscheidungen lieber endlich die UN-Flüchtlingskonvention zu ratifizieren.

Noch schärfer reagierte Amnesty International (AI): Von einem »Schlag gegen Indiens Verfassungswerte von Gleichheit und religiöser Nichtdiskriminierung« ist dort die Rede. Der CAA sei »inkompatibel mit Indiens internationalen Menschenrechtsverpflichtungen«.

Die politische Opposition sieht das Ganze auch angesichts des Zeitpunkts als bewussten Wahlkampftrick der BJP, um das Land abermals entlang religiöser Linien zu spalten. Eine auffallende Zurückhaltung registrierten kritische Stimmen zwar bei der Spitze des Indischen Nationalkongresses (INC), der größten Oppositionspartei, sei es Parteichef Mallikarjun Kharge oder Rahul Gandhi.

Dafür hat die Chefministerin des Bundesstaats Westbengalen, Mamata Banerjee, die mit ihrem Trinamool Congress (TMC) ebenfalls eine erbitterte BJP-Gegnerin ist, eine regionale Kampagne gegen den CAA gestartet. Und ihr Amtskollege MK Stalin aus Tamil Nadu kündigte an: »Wir werden das Gesetz bei uns nicht umsetzen.«

Sogar Nitish Kumar, Chefminister im Bundesstaat Bihar und erst im Februar aus dem Oppositionslager in den Schoß der BJP-Allianz NDA zurückgekehrt, verweigere in seinem Staat die Umsetzung, so ein Sprecher am Montag gegenüber dem Fernsehsender NDTV.

Heftiger Widerstand kommt überdies aus Kerala – der letzte Bundesstaat, der noch von der Linksfront unter der Kommunistischen Partei Indiens-Marxistisch (CPI-M) regiert wird. Von einem »Verfassungsbruch« spricht die dortige Regionalregierung, die inzwischen ebenso wie mehrere weitere Kläger den Supreme Court angerufen hat. Indiens höchste juristische Instanz kündigte für den heutigen Dienstag eine erste Anhörung an, um zu prüfen, ob sie den CAA eventuell noch stoppt.

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