Repression per Gesetz in Saudi-Arabien

Geleakter Entwurf eines Strafgesetzbuchs widerspricht dem vermeintlich liberalen Kurs Saudi-Arabiens

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Saudische Sicherheitskräfte patrouillieren in der Hauptstadt Riad.
Saudische Sicherheitskräfte patrouillieren in der Hauptstadt Riad.

Der portugiesische Ausnahmefußballer Cristiano Ronaldo war nur der spektakuläre Türöffner, als er zum saudischen Fußballverein Al-Nasr wechselte. Mit viel Geld kaufen sich die Machthaber Saudi-Arabiens im internationalen Sportgeschäft ein, holen ein Turnier nach dem anderen auf die arabische Halbinsel, für 2034 auch die WM im Männerfußball. Nach Investitionen im Fußball und Golf will Saudi-Arabien auch im Tennis seinen Einfluss vergrößern und die Masters-Turniere der Männer und Frauen vereinen. Wie die britische Zeitung »Telegraph« berichtete, hat der Public Investment Fund (PIF) von Saudi-Arabien ein Angebot in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar für die ATP- und WTA-Turniere der zweithöchsten Kategorie hinter den vier Grand Slams abgegeben.

Kronprinz Mohammad Bin Salman, seit 2022 Premierminister und der eigentliche Strippenzieher in der saudischen Politik, hat schon vor Jahren eine Kampagne gestartet, mit der ein angeblicher Reformkurs mittels Marketing, Werbung und Publik Relation an die internationale Öffentlichkeit verkauft werden soll. Die Auto fahrenden Frauen standen dabei sinnbildlich für einen neuen Kurs der Offenheit, der zukünftig sogar den Verkauf von Alkohol nicht ausschloss.

Alles Schwindel, ruft nun die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und legte am Dienstag einen Bericht vor, der den geleakten Entwurf des ersten schriftlich fixierten saudischen Strafgesetzbuches auseinander nimmt. Dieser Bericht mit dem aussagekräftigen Namen »Manifest für die Unterdrückung« entspreche in keiner Weise den universellen Menschenrechtsstandards und entlarve »die Heuchelei hinter den Versprechungen von Kronprinz Mohammad Bin Salman, seine Regierung als fortschrittlich und integrativ darzustellen«, heißt es in einer Pressemitteilung. Das Dokument war schon 2022 durchgesickert, wurde dann auf Echtheit überprüft, auch seitens saudischer Juristen, die schließlich bestätigten, dass es sich um einen authentischen Entwurf handele, der sich derzeit in der Diskussion befinde.

Der Gesetzesentwurf kriminalisiere das Recht auf Meinungs-, Gedanken- und Religionsfreiheit und versäumt es, das Recht auf friedliche Versammlung zu schützen, so Amnesty. Er kriminalisiere »uneheliche« einvernehmliche sexuelle Beziehungen, Homosexualität und Abtreibung und versäume es, Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Der Entwurf kodifiziere auch die Todesstrafe als eine der Hauptstrafen und lasse weiterhin körperliche Strafen wie Auspeitschen zu. In dem Bericht wird auch auf jüngste Fälle der Unterdrückung von Dissidenten hingewiesen.

Bislang gab es überhaupt kein schriftlich fixiertes Strafgesetzbuch, was »zu systematischen Verstößen und Ungerechtigkeiten« geführt habe, sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International. Ein erstes schriftliches Strafgesetzbuch könnte für Saudi-Arabien eine Chance sein, das Strafrechtssystem in ein System umzuwandeln, »das die Menschenrechte achtet. Unsere Analyse des durchgesickerten Gesetzesentwurfs zeigt jedoch, dass es sich im Wesentlichen um ein Manifest zur Unterdrückung handelt, das Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung von Freiheiten festigen würde«, sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

Amnesty habe die Ermordung des saudischen Journalisten und Regierungskritikers Dschamal Khashoggi dokumentiert, so Callamard, die Inhaftierung von Frauenaktivistinnen, den Krieg im Jemen, die Todesstrafe und das Schließen zivilgesellschaftlicher Räume. All das widerspreche eklatant dem Image, das sich Saudi-Arabien geben wolle. Mohammad Bin Salman als Reformer? »Wir sind hier, um zu sagen, dass das eine Lüge ist

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