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Deutsche Teams zurück auf der Erfolgswelle
Deutsche Nationalmannschaften sind wieder im Aufwind, auch weil sie Hilfe im Ausland suchten. Nur der Fußball hält bei der Entwicklung nicht mit
Das Ausscheiden kam schon im Viertelfinale gegen Ägypten. Als auch die deutschen Handballer bei den Olympischen Spielen 2021 medaillenlos blieben, war die Erzählung komplett: Die deutschen Mannschaftssportarten waren gescheitert und damit zum Inbegriff des immer schlechteren Abschneidens hiesiger Athleten bei Olympia geworden. Viele Teams hatten sich nicht mal mehr qualifiziert, die Fußballer waren in der Vorrunde ausgeschieden, am Ende verpassten auch noch die mit Titelambitionen gestarteten Hockeyspieler Bronze. Die historische Pleite war besiegelt.
Doch waren Deutsche in Ballsportarten wirklich nichts mehr wert? Das Gegenteil scheint sich knapp drei Jahre später schon im nächsten olympischen Zyklus zu bewahrheiten. Medaillen wurden noch nicht vergeben, doch deutsche Teams sind merklich im Aufwind: Am vergangenen Sonntag qualifizierten sich die Handballer für Paris. Noch besser kann es für den Deutschen Handball-Bund kommen, sollten Mitte April in Ulm auch die DHB-Frauen erstmals seit 2008 wieder das Ticket lösen. Die Gegnerinnen aus Montenegro, Slowenien und Paraguay sind im Kampf um die letzten zwei Olympiaplätze durchaus schlagbar. »Geil, dass es die Männer geschafft haben. Wir wollen jetzt natürlich mitziehen«, blickt Kreisläuferin Julia Behnke voraus. Noch nie sei sie ihrem Traum so nah gewesen, und das liege nicht an den Gegnerinnen, sondern an der spürbaren Entwicklung im deutschen Team.
Doch wie wurde diese erreicht? »Es war ein Prozess, der Zeit brauchte. Das Team ist im Kern nun schon über viele Jahre zusammen«, sagt Behnke zu »nd«. Vor allem aber hätten viele Spielerinnen den Schritt aus der Bundesliga hinaus ins Ausland gewagt. Behnke selbst war drei Jahre lang für Vereine in Russland und Ungarn aktiv. »Dort spielt und trainiert man immer auf dem höchsten Level und hat schnell die Chance sich weiterzuentwickeln. Die Erfahrung braucht man jeden Tag in der Woche, nicht nur in ein paar Länderspielen pro Jahr«, so Behnke. Auch Bundestrainer Markus Gaugisch sieht hier den wichtigsten Erfolgsfaktor: »Unsere Spielerinnen konnten mit ihren Vereinen das Finale der Champions League bestreiten oder den Titel in der European League gewinnen. So sind sie Stück für Stück mit ihren Aufgaben gewachsen und haben gelernt, besser mit Drucksituationen umzugehen.«
Ein eingespieltes Team und Auslandserfahrung sind zwei Faktoren, die sich auch im Basketball bewährt haben. Hier sind die Erfolge sogar noch sichtbarer. Speziell die Männer sind mit EM-Bronze 2022 und dem ersten WM-Titel in der Geschichte des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) ein Jahr später in die absolute Weltspitze vorgestoßen. Die Nationalmannschaft baute auf dem Kader auf, der 2021 in Tokio bis ins Viertelfinale gekommen war. Verbessert wurde er mit weiteren Kräften, die sich in der NBA täglich mit den Superstars der Szene messen: Die Wagner-Brüder Franz und Moritz, Kapitän Dennis Schröder sowie Center Daniel Theis haben den deutschen Basketball so in neue Sphären gehoben.
Wer nicht den Sprung in die NBA schaffte, ging wie Niels Giffey oder Johannes Voigtmann nach Litauen und Russland, um neue Impulse zu bekommen. Parallel holte sich die Bundesliga ausländischen Input. Allen voran Alba Berlin importierte spanische Trainer und Sportdirektoren. Andere Klubs zogen nach. »Mit den Spaniern ist ein neuer Schwung reingekommen. Spanien ist seit Jahrzehnten in der Weltrangliste vorne mit dabei. Das hat unheimlich was bewegt in Deutschland«, freut sich auch der für den Leistungssport zuständige DBB-Vizepräsident Armin Andres im nd-Gespräch.
Die Coaches der deutschen Nationalteams, Lisa Thomaidis und Gordon Herbert, kommen beide aus Kanada, der Handball-Chefcoach kommt aus Island, die Hockeyspielerinnen wurden lange von einem Belgier angeführt, die Volleyballer von Italienern, Polen und Belgiern. Einzig der Deutsche Fußball-Bund hat bis heute noch nie ausländische Trainer verpflichtet. Ausgerechnet die Fußballer schafften diesmal nicht den Sprung zu Olympia. Das muss nicht direkt miteinander zusammenhängen. Dass der DFB aber ein Trainerproblem bis hinunter in den Breitensportbereich hat, ist bekannt: Stützpunkttrainer bekamen teils zwei Jahrzehnte lang keine Erhöhung ihrer Bezüge. Junge Trainertalente werden nicht zu Weiterbildungen eingeladen, weil sie nie Profi waren, Sport studiert haben oder sich die teils fünfstelligen Ausbildungskosten nicht leisten können. Dass der DFB vergleichsweise wenige Talente hervorbringt, und nur die Frauen gerade noch ihr Ticket nach Frankreich lösten, ist durchaus auf derlei Verbandsschwächen in der Jugendförderung zurückzuführen.
Der DFB verlässt sich in dem Bereich stark auf die Profiklubs. Andere Verbände gehen speziell bei den Frauen einen anderen Weg. »Vor zwei Jahren haben wir uns entschlossen, die Förderung junger Mädchen vom Verband aus zu gestalten«, berichtet DBB-Funktionär Andres. Die Basketball-Bundesliga der Frauen sei noch nicht stark genug, dies selbst zu leisten, also »haben wir im Verband Lehrgänge intensiviert. Wir suchen auch Gespräche mit den Eltern, haben ein Sonderprogramm aufgelegt für Toptalente. Dazu schicken wir Athletik- und Individualtrainer durch ganz Deutschland, um sie noch besser auszubilden.« Der DHB macht es ganz ähnlich.
Heutige Basketball-Nationalspielerinnen wie die Sabally-Schwestern Satou und Nyara, Leonie Fiebich oder Luisa Geiselsöder haben das Programm des Verbandes von der U16 bis zum A-Nationalteam komplett durchlaufen, so Andres: »Da ist eine Kontinuität, die sehr wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl ist.« Der Lohn: die erstmalige Olympiaqualifikation vor wenigen Wochen in Brasilien.
Die Fußballer sind nicht die einzigen, die nicht nach Paris fahren werden. Auch im Wasserball und Rugby schafften keine deutschen Teams die Qualifikation. Hier jedoch war das ob jahrelanger Defizite erwartet worden. Im Fußball sind die Ansprüche höher, selbst wenn Olympia bei den Männern nicht den Stellenwert hat wie die Heim-EM einen Monat früher.
Für andere Sportarten sind die Spiele hingegen fast schon überlebenswichtig, hängt doch auch die staatliche Förderung stark von der Teilnahme und dem Abschneiden bei Olympia ab, weshalb der Jubel über den überraschenden Sieg beim entscheidenden Turnier der Volleyballer im Herbst 2023 umso größer war. Der klamme Deutsche Volleyball-Verband (DVV) kann nach 14 Jahren ohne ein Hallenteam bei Olympia mehr Förderung gut gebrauchen. Mit einer starken Nations League im Frühsommer könnten sich sogar auch noch die Frauen ihr erstes Ticket seit 2004 sichern.
DVV-Sportdirektor Christian Dünnes verfällt deswegen aber nicht in Euphorie: »Dieses Jahr sind relativ viele bei Olympia dabei. Das zeigt, dass in den Teamsportarten gute Arbeit geleistet wurde.« Mannschaften entwickelten sich aber in Wellen. Tritt eine erfolgreiche Generation ab, braucht die nächste Zeit, um es ganz nach oben zu schaffen. Der DVV hat 2019 dennoch ein Konzept aufgestellt, um mehr Nachwuchs zu gewinnen und ihn besser zu fördern. »Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass der Erfolg der Männer nicht die Frucht dieses Konzeptes ist«, meint Dünnes auf nd-Anfrage. Das sehe man erst zehn, 15 Jahre später. »Wir müssen jetzt dafür arbeiten, dass wir 2032 und 2036 erfolgreich sind. Daran muss man sich dann messen lassen.«
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