Berlin: Staatsbürgerschaft für Behinderte in Gefahr

Mangelndes Tempo und Benachteiligung alter Verfahren gefährdet die Einbürgerung vulnerabler Gruppen in Berlin

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der Reform der Einbürgerungsbehörden Anfang des Jahres hatte man sich eine Beschleunigung erhofft. Erreicht wurde das aber nicht: Noch immer warten 40 000 Menschen in Berlin auf eine Entscheidung über ihre Einbürgerungsanträge. Das ergab eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Elif Eralp ans Abgeordnetenhaus. Zuvor waren die Bezirke für Einbürgerungen zuständig. Nun wird alles in einer zentralen Stelle des Landesamts für Einwanderung (LEA) abgewickelt. 20 000 Menschen wolle man jedes Jahr im neuen Zentrum einbürgern, hieß es noch im Januar. Die Effizienzsteigerung erhoffte man sich vor allem von der Digitalisierung des Verfahrens: »Wir wollen Wartezeiten verkürzen«, sagte LEA-Direktor Engelhard Mazanke.

Wie die Anfrage zeigt, geht es beim neuen Verfahren aber vor allem darum, eine »signifikante Steigerung der Einbürgerungszahlen« präsentieren zu können. Dazu soll nur der Rückstand generell abgebaut werden, nicht die Anträge mit besonders langer Wartezeit. Die Fälle werden nach ihrer »Entscheidungsreife« priorisiert: Wer schon mehr Informationen vorliegen hat, wird zuerst bearbeitet.

Wer dagegen schon seit Jahren auf einen Bescheid wartet, dem wird die Digitalisierung des Verfahrens zum Verhängnis: Bei nun digitalisierten Altverfahren müssen neue Nachweise eingeholt werden, welche bei neuen, von Anfang an digitalen Verfahren von den Antragstellenden direkt selbst mit eingereicht werden. So kommt es zu weiteren Verzögerungen bei denjenigen, die schon länger warten.

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»Die fehlende Priorität langer Wartezeiten gefährdet besonders vulnerable Gruppen«, sagt Emily Barnickel, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin. Denn mit der Anfang Februar vom Bundesrat verabschiedeten Reform des Einbürgerungsrechts steht Menschen ohne eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts nur noch in Ausnahmen die Tür zur deutschen Staatsangehörigkeit offen. Ab der ausstehenden Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt dauert es drei Monate bis zum Inkrafttreten der neuen Regeln – vermutlich Mitte des Jahres.

»Es gilt nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Entscheidung«, so Barnickel. Wenn beispielsweise Alleinerziehende oder Behinderte seit Jahren auf einen Bescheid warten und dieser nun hintangestellt wird, laufen sie Gefahr, nach dem neuen Recht beurteilt zu werden und nicht die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Laut der Sprecherin sei der Stau auch den Bezirken zu verdanken. Dort seien im Zuge der Umstrukturierung Fälle einfach liegengeblieben, da sie ja eh von der neuen Zentrale übernommen würden. »Angefangene Fälle hätten genauso gut ins LEA mitgenommen werden können«, sagt Barnickel – denn viele Mitarbeiter sind direkt aus den Bezirken gewechselt. Doch wer vergangenes Jahr an Einbürgerungsstellen schrieb, habe meist eine Abwesenheitsnotiz bekommen.

»Wir brauchen dringend eine Digitalisierungsoffensive und eine Priorisierung der nach neuem Staatsangehörigkeitsrecht vulnerablen Gruppen«, sagt Barnickel. »Die neue Einbürgerungsstelle hat Kartons mit 40 000 Akten bekommen, die die Bezirksämter schon hätten digitalisiert haben können.«

»Problematisch ist auch, dass viele Stellen weiter offen sind und nicht, wie der Senat erwartete, alle Mitarbeiter*innen aus den Einbürgerungsabteilungen auf die Landesebene wechseln wollten«, sagt Elif Eralp, Sprecherin für Migration der Linken im Abgeordnetenhaus.

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