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Schokolade: Rätselhafte Sucht
Schokolade enthält keine wirksame Droge
Zweifellos sind zu Ostern Schokoladeneier und -hasen, ob als »Hohlkörper« oder zartschmelzend gefüllt, die beliebtesten Süßigkeiten.
Doch warum ist gerade Schokolade für viele so unwiderstehlich? Manch einer bezeichnet sich gar als »Schokoholic«. Und das, obwohl es Schokoladensucht eigentlich nicht geben kann. Sucht droht per Definition nur, wenn es auch eine Droge gibt. Und die lässt sich in der Schokolade nicht finden. Jedenfalls nicht in den Mengen, die Abhängigkeit erzeugen.
Der natürliche, sehr bittere Giftcocktail, der die Schokolade liefernden Kakaobohnen gegen Fraßfeinde schützt, enthält durchaus Substanzen mit Suchtpotenzial: Phenylethylamin etwa, das in unserem Gehirn ähnlich wirkt wie Ecstasy. Doch selbst mehrere Tafeln enthalten nicht genug davon, um süchtig zu machen.
Oder Theobromin und seinen nahen Verwandten, das Koffein. Beide unterscheiden sich nur um ein Kohlenstoffatom und leiten sich vom selben Grundgerüst ab wie Adenin. Letzteres ist nicht nur in der DNA und RNA enthalten, es ist auch Bestandteil des energieliefernden ATP und vieler anderer Verbindungen. Wenn Adenin lediglich mit einem Zucker, der Ribose, verbunden ist, bezeichnet man es als Adenosin. Das bindet an Rezeptoren der Nervenenden und blockiert die Ausschüttung von aufmunternden Botenstoffen. So ist es nicht verwunderlich, dass Koffein und das etwas gemäßigter wirkende Theobromin, die beide Adenosin von dem Rezeptor verdrängen, auch unsere Stimmung aufhellen. Aber in einer ganzen Tafel Schokolade ist weniger von beiden enthalten als Koffein in einer Tasse Kaffee.
Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass die beiden Substanzen Müdigkeit verscheuchen und uns beleben. Wollte man den Schokoladengenuss mit einem Haustier – ob Hund oder Katze – teilen, könnte es im schlimmsten Fall dabei sogar sterben. Die Hunde- oder Katzenleber vermag die Gifte nicht abzubauen und so erfüllen die Stoffe bei vielen Tieren ihre evolutionäre Mission.
Selbst das »Glückshormon« Serotonin kommt als Suchtfaktor in der Schokolade nicht infrage. Es kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Das gelingt nur seinem Vorläufer, der Aminosäure Tryptophan, und von der ist in Schokolade nur wenig enthalten.
Es bleibt schließlich nur der Tatbestand, dass Schokolade zu gut 30 Prozent aus Fett und 50 Prozent aus Zucker besteht. Und so keimt der Verdacht, dass diese ganz normalen Nahrungsbestandteile bei ihrem wohligen Schmelzen auf unserer Zunge die Glücksgefühle auslösen.
Doch die Schokolade gibt noch ein weiteres Rätsel auf. Sie ist durchaus nicht überall in der Welt so begehrt. Spitzenreiter sind Schweiz, Belgien und Deutschland. Schon in Frankreich oder Italien sieht es ganz anders aus. Sind die Gründe ihrer Beliebtheit etwa gar nicht biochemischer Natur? Ist es vielleicht »nur« unsere Tradition, der wir die Schokoladensehnsucht verdanken?
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