Aufrüstung geht immer

Finanzminister sieht »Milliardenspielraum« für Wehretat ab 2028. Pistorius fordert für nächstes Jahr mehr

Ein Herz für die Truppe: Finanzminister Lindner mit Soldaten der deutschen Luftwaffe im Februar 2023 in Malis Hauptstadt Bamako
Ein Herz für die Truppe: Finanzminister Lindner mit Soldaten der deutschen Luftwaffe im Februar 2023 in Malis Hauptstadt Bamako

Olaf Scholz und Robert Habeck haben die deutsche Gesellschaft zu Ostern einmal mehr darauf eingeschworen: Die Bundesrepublik werde die Ukraine weiter militärisch unterstützen, »solange das nötig ist«, und »mehr in unsere Sicherheit investieren«, betonte der Kanzler. Grünen-Wirtschaftsminister Habeck formulierte es ähnlich. Das, was Verteidigungsressortchef Boris Pistorius (SPD) »Kriegstüchtigkeit« nennt, bezeichnet er als »Schutzfähigkeit«.

Am Dienstag fügten Pistorius und Finanzminister Christian Lindner (FDP) der Debatte um einen »angemessenen« Wehretat und das Erreichen des sogenannten Zwei-Prozent-Ziels der Nato weitere Umdrehungen hinzu. Ersterer verlangte für das kommende Jahr mehr Geld für die Bundeswehr als von letzterem bisher vorgesehen.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Lindner verplant derweil schon mal die Mittel für die Landesverteidigung ab 2028 – jenem Jahr also, in dem das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen der Bundeswehr aufgebraucht sein wird. Dann, so seine Annahme, werde aber die Schuldenquote wieder unter den in der EU vorgeschriebenen 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Gelinge die Einhaltung der Vorschrift, könne »die ab 2028 vorgesehene Tilgung der Corona-Schulden neu diskutiert werden«. Dieses Geld könne stattdessen in den Verteidigungsetat fließen, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur.

Der Bund hatte von 2020 bis 2022 wegen der Coronakrise und des Ukraine-Kriegs sogenannte Notlagenkredite in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aufgenommen. Die Tilgung soll 2028 beginnen. Derzeit sei ab 2028 eine Schuldentilgung von jährlich neun Milliarden Euro vorgesehen, sagte Lindner. »Wenn aber die Belastung der Pandemie im Schuldenstand dann schon überwunden ist, könnte die Tilgung wesentlich reduziert werden«, so der Minister. »Damit stünde ein Milliardenbetrag zur Verfügung, der uns nach dem Ende des Sonderprogramms für die Bundeswehr helfen wird, den Sprung zum Nato-Ziel im Bundeshaushalt zu erreichen.«

Vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 hatte der Bund bereits eine Schuldenquote von 59 Prozent erreicht. Durch die Sonderkredite stieg diese auf 69 Prozent. Inzwischen liegt sie wieder bei rund 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Prognosen zufolge kann Deutschland das Nato-Ziel, zwei Prozent des BIP für das Militär aufzuwenden, 2028 nur mit Mehrausgaben in Höhe von 25 Milliarden Euro erreichen. Dies wäre im Vergleich zum Wehretat für dieses Jahr (51,8 Milliarden) ein Anstieg um fast 50 Prozent.

Auch wenn der Bund keine Corona-Schulden tilgen würde, bliebe mithin eine Finanzierungslücke von 15 Milliarden Euro. Lindner meinte dazu: »Wenn es uns gelingt, in den Jahren bis 2028 unser Wirtschaftswachstum zu stärken, und wenn wir auf zusätzliche kostenträchtige, gesetzlich verpflichtende Sozialausgaben verzichten, dann schaffen wir es, das Zwei-Prozent-Ziel einzuhalten.«

Der FDP-Chef ermahnte insbesondere SPD und Grüne zu Ausgabendisziplin und weiteren Einsparungen. Gegenwärtig stellten sie in der Debatte um eine Reform der Schuldenbremse immer wieder das Grundgesetz und den Koalitionsvertrag infrage. »Mein Rat wäre, einfach bis zur Bundestagswahl den Status quo zu akzeptieren«, erklärte der Minister. Dann könnten die Bürger »entscheiden, ob es mehr Staat, mehr Schulden und höhere Steuern geben soll oder einen schlanken Staat mit weniger Zinslasten und niedrigeren Steuern.«

Verteidigungsressortchef Pistorius sieht indes die Einhaltung der Zwei-Prozent-Quote im kommenden Jahr gefährdet. Er habe die Ampel-Fraktionen darüber informiert, dass dazu im Wehretat 4,5 bis sechs Milliarden Euro fehlten, berichtete »Bild am Sonntag«. Lindners Planung sieht für die Bundeswehr 2025 rund 52 Milliarden vor und damit kaum mehr als im laufenden Jahr. Mehr kann es aus Sicht des Finanzressortchefs nur geben, wenn SPD und Grüne endlich Kürzungen im Sozialbereich mittragen würden. Bislang ist insbesondere die SPD strikt dagegen, »soziale gegen militärische Sicherheit« auszuspielen.

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr fordert eine Senkung der Staatsausgaben, um »die deutsche Wirtschaft anzukurbeln«. Dabei dürfe der Sozialstaat »nicht weiter wachsen«, sagte er am Dienstag im ZDF. Dürr behauptete erneut, mit den derzeitigen Sozialausgaben werde »Arbeitslosigkeit subventioniert«. Grundsätzlich sei wirtschaftliche auch geopolitische Stärke. »Wenn wir wirtschaftlich überlegen sind, sind wir auch in der Verteidigungsfähigkeit überlegen«, so Dürr – weil die Bundeswehr dann besser ausgestattet werden könne.

In diese Richtung gehen auch die Einwände, die Lindner gegen die allgemeine Dienstpflicht zur Stärkung der Bundeswehr hätte. Deren volkswirtschaftliche Kosten »wären angesichts des Arbeitskräftemangels in einer alternden Gesellschaft sehr hoch«. Verteidigungsminister Pistorius lässt derzeit entsprechende Modelle prüfen. Lindner meint hingegegen, eine »gestärkte Reserve« sei die bessere Alternative. »Es sollte möglich sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger parallel zum Zivilberuf freiwillig verpflichten, über einen längeren Zeitraum hinweg der Bundeswehr regelmäßig zur Verfügung zu stehen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.