Bahai in Iran systematisch verfolgt

Menschenrechtsorganisation prangert Verfolgung der religiösen Minderheit als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« an

  • Daniela Sepehri
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Bahai im Bahai-Garten und -Tempel in Haifa (Israel)
Ein Bahai im Bahai-Garten und -Tempel in Haifa (Israel)

Mahvasch Sabet (71) und Fariba Kamalabadi (62) haben jeweils eine zehnjährige Haftstrafe in Iran verbüßt. Nur drei Jahre nach ihrer Entlassung wurden sie erneut festgenommen und zu weiteren zehn Jahren verurteilt. Der Grund: Beide gehören der Bahai-Gemeinschaft an, einer religiösen Minderheit, die in der Islamischen Republik Iran verfolgt wird.

In einem neuen Bericht hat die Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch« (HRW) die Verfolgung der Bahai durch iranische Behörden analysiert und festgestellt, dass es sich hierbei um »weit verbreitete und systematische Praktiken handelt«. Das Regime in Iran hat »Bahai vorsätzlich und schwerwiegend ihrer grundlegenden Rechte beraubt«, heißt es weiter. Diese Verfolgung sei im iranischen Recht verankert und Staatspolitik, HRW stuft diese nun als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Das Völkerrecht definiert Verfolgung als absichtliche und schwerwiegende Verletzung grundlegender Rechte aufgrund der Zugehörigkeit zu Gruppen wie Nation, Religion oder Ethnie und stuft dies als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein, eins der schwerwiegendsten Vergehen.

Bahai sind die größte, nicht anerkannte religiöse Minderheit in Iran. Seit der Gründung des Bahaitums Mitte des 19. Jahrhunderts wird die Religion in ihrem Ursprungsland Iran verfolgt, ihre Anhänger*innen diskriminiert. Insbesondere nach der Entstehung der Islamischen Republik hat sich diese Verfolgung weiter verschärft. Im Juni 1983 wurden in der südiranischen Stadt Schiraz zehn Frauen nach monatelanger Folter öffentlich hingerichtet, die jüngste war 17. Tausende verloren ihren Arbeitsplatz und ihre Renten, Pilgerstätten wurden entweiht, Friedhöfe geschändet. Bahai dürfen keine Universitäten besuchen, werden enteignet und regelmäßig kommt es zu staatlich angeordneten Pogromen.

Laut einem Bericht der iranischen Menschenrechtsorganisation »HRANA« betrafen 2023 etwa 85 Prozent der religiös motivierten Menschenrechtsverletzungen im Iran die Bahai. »Das Regime fürchtet sich offenbar vor einer friedlichen Religion, die die Entbehrlichkeit des Klerus und die vollständige Gleichberechtigung von Frauen beinhaltet«, erklärt Jascha Noltenius, Menschenrechtsbeauftragter der Bahai-Gemeinde Deutschlands im Gespräch mit »nd«.

Die Islamische Republik Iran leugnet, die Bahai aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit zu verfolgen. Es würden nur jene festgenommen, die Verbrechen gegen die »nationale Sicherheit« begehen wie »Propaganda gegen den Staat«. Noltenius zufolge liegen jedoch zahlreiche ministeriale Weisungen, Urteile und Verhöre vor, in denen Bahai die Straffreiheit angeboten wird, wenn sie zum Islam konvertieren. Dies zeige, dass die Bahai aufgrund ihrer Religion verfolgt werden.

Seit Beginn der Proteste unter dem Motto »Frau, Leben, Freiheit« im September 2022 hat sich die Verfolgung der Bahai weiter verschärft. Allein im August 2023 wurden mindestens 180 Bahai innerhalb eines Monats festgenommen. »Wie auch in vorherigen Staatskrisen werden marginalisierte Gruppen zu Sündenböcken gemacht, die angeblich zu den ›Frau, Leben, Freiheit‹-Protesten angestiftet hätten«, sagt Noltenius. Betroffen seien vor allem Frauen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren; zwei Drittel der seither inhaftierten und verurteilten Bahai seien Frauen.

Die Einstufung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat vor diesem Hintergrund eine immense Bedeutung für die Bahai-Gemeinschaft. »Erstens zeigt es den Bahai im Iran, dass sie von der internationalen Gemeinschaft nicht vergessen oder übersehen werden«, so Noltenius. »Zweitens richtet diese unabhängige Menschenrechtsorganisation konkrete Forderungen an Regierungen weltweit.«

»Human Rights Watch« fordert westliche Staaten auf, die Verbrechen an Bahai in Iran zu dokumentieren und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. »Gerade Deutschland, wo das Weltrechtsprinzip im nationalen Recht verankert ist, muss ein Strukturermittlungsverfahren einleiten und die Täter zur Rechenschaft ziehen«, betont Noltenius und fordert eine flächendeckende Anerkennung von geflüchteten Bahai, die in Deutschland um Asyl ersuchen.

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