- Politik
- Niedrige Grundrente
Wachsende Armut im Alter
Immer mehr Rentner auf staatliche Grundsicherungsleistungen angewiesen
Seit Januar 2021 gibt es die sogenannte Grundrente. Sie wird ohne Antrag automatisch an Ruheständler ausgezahlt, die mehr als 33 Jahre berufstätig waren, Kinder und Angehörige betreut haben – und wegen Arbeit im Niedriglohnsektor sehr kleine Renten haben. Die Zahl derer, die von diesem Zuschlag von durchschnittlich 75 Euro monatlich profitieren, beziffert die Deutsche Rentenversicherung auf 1,3 Millionen.
Trotzdem wächst die Zahl derer, die die Grundsicherung im Alter, also Sozialhilfe für Rentenbeziehende, in Anspruch nehmen. Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte, bezogen Ende 2023 rund 690 000 Menschen diese Leistung und damit 4,7 Prozent mehr als Ende 2022. Grundsätzlich berechtigt sind Personen mit Gesamtbezügen von unter 924 Euro monatlich. Doch wie beim Bürgergeld gilt, dass Antragsteller offenlegen müssen, mit wem sie die Wohnung teilen und wie viele Ersparnisse sie haben. Diese sowie andere Wertsachen müssen weitgehend verbraucht werden, bevor man Grundsicherungsleistungen bekommt.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Wegen des bürokratischen Aufwandes, aber vielfach auch aus Stolz oder Scham nehmen viele diese ihnen eigentlich zustehenden Leistungen nicht in Anspruch. In einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hieß es bereits 2019, dass 60 Prozent der Berechtigten die Grundsicherung im Alter nicht beantragen.
Dass die Zahl der Beziehenden wächst, dürfte vor allem mit der Teuerung der vergangenen Jahre zu tun haben. Zugleich haben viele Menschen keinen Anspruch auf die noch von der Großen Koalition eingeführte Grundrente, etwa wenn sie längere Zeit Arbeitslosengeld I und II bezogen oder in Minijobs gearbeitet haben. Überproportional betroffen sind Frauen – und Ostdeutsche. Denn die Lohnlücke zwischen Ost- und Westdeutschen liegt weiterhin bei 18 Prozent. Darauf wies der Vorsitzende der Linke-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, am Mittwoch hin.
Auf Anfrage des Leipziger Abgeordneten teilte das Statistische Bundesamt mit, dass Vollzeitbeschäftigte in Ostdeutschland 2023 pro Monat im Schnitt 824 Euro brutto weniger Lohn oder Gehalt bekamen als im Westen. Ein Jahr zuvor hatte die Differenz 842 Euro betragen. In den vergangenen zehn Jahren habe die Differenz »stabil« bei mehr als 800 Euro gelegen, sagte Pellmann. Die »Niedriglohn-Orgie« im Osten führe in die Altersarmut.
Nach Angaben des Statistikamtes geht der Anstieg bei der Zahl der Beziehenden von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung indes auch darauf zurück, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge, anders als andere Geflüchtete, Anspruch auf die gleichen Sozialleistungen wie deutsche Staatsbürger haben. Insgesamt erhielten im Dezember 1,2 Millionen Menschen diese Leistungen. Während die Zahl der Bezieher im Rentenalter deutlich stieg, sank die der wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Berechtigten um 1,6 Prozent auf 520 000. Die Zahl der Leistungsberechtigten aus der Ukraine wuchs binnen eines Jahres um 18,8 Prozent auf 86 775 Personen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.