Schnelltests gegen die Cholerapandemie

Die Armutskrankheit ist vermeidbar und behandelbar. Trotzdem haben Anzahl und Sterblichkeit zugenommen

Nach langer Zeit gibt es in Sachen Cholerabekämpfung wieder eine Meldung, die vorsichtigen Optimismus nährt: Im südostafrikanischen Land Malawi sind vor wenigen Tagen erste Schnelltest-Kits eingetroffen. »Diese werden dem Gesundheitspersonal die entscheidenden und zeitnahen Daten liefern, die es braucht, um Ausbrüche frühzeitig zu stoppen und die Bemühungen um eine bessere Prävention und Behandlung der Cholera zu lenken«, erklärte Michael Ryan, Exekutivdirektor für Gesundheitsnotfälle bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dazu.

Die Aktion in Malawi ist der Startschuss für ein weltweites Beschaffungsprogramm: Insgesamt ist geplant, mehr als 1,2 Millionen Cholera-Schnelltests »im Rahmen der bisher größten globalen Aktion« in 14 betroffene Länder zu liefern. Finanziert wird das Vorhaben von der Impfallianz Gavi, die Bereitstellung erfolgt über die WHO und das UN-Kinderhilfswerk Unicef. Beteiligt sind weitere Partner wie die Organisation Find, die sich um die Qualität der Diagnoseverfahren kümmert.

Die Schnelltests werden dringend benötigt, denn seit der Coronakrise gab es fast nur schlechte Meldungen bei den klassischen Armutskrankheiten im globalen Süden wie eben der Cholera. Die bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannte, akute Darminfektion wird durch Lebensmittel und Wasser übertragen, die mit Fäkalien kontaminiert sind. Erreger ist das Bakterium Vibrio cholerae, das im Darm der Betroffenen das Gift Choleratoxin bildet. Unbehandelt kann die Cholera mitunter innerhalb von wenigen Stunden tödlich verlaufen. Menschen sterben an den Folgen des Flüssigkeitsverlustes.

Die WHO hatte bereits 1961 nach zahlreichen Ausbrüchen die siebte Cholera-Pandemie erklärt. Diese ist immer noch nicht beendet, und seit 2021 sind die Zahlen sogar wieder massiv angestiegen. 2022 wurden der WHO 473 000 Fälle gemeldet. Vorläufige Daten für 2023 deuten auf einen weiteren Anstieg auf über 700 000 gemeldete Fälle hin. Dabei ist die Dunkelziffer hoch: Weltweit dürften es nach Schätzungen derzeit eher drei bis fünf Millionen Cholerafälle pro Jahr sein, wovon bis zu 140 000 tödlich enden. Seit 2021 meldeten insgesamt 30 Länder Ausbrüche, zurzeit sind es 16. Mit besonderer Besorgnis beobachten Hilfsorganisationen, dass es auch Länder trifft, die jahrzehntelang als cholerafrei galten und dass die Schwere und die Sterblichkeitsrate ebenfalls stark angestiegen sind – »trotz einfacher, wirksamer und erschwinglicher Behandlungsmöglichkeiten«, wie die WHO frustriert schreibt.

Betroffen von der Cholera sind vor allem arme Länder und dort wiederum die ärmsten Bevölkerungsteile. Ausbrüche gibt es derzeit zumeist im tropischen und subtropischen Afrika, außerdem in Syrien und Haiti. Wie verzweifelt die Lage in den betroffenen Gegenden ist, zeigt ein tödlicher Unfall im Norden Mosambiks: Beim Untergang eines überfüllten Fischerbootes, mit dem viele Menschen vor der Cholera vom Festland auf eine Insel flüchten wollten, kamen am Sonntag 91 Menschen ums Leben.

Zu den Gründen für den plötzlichen Anstieg in vielen Ländern gehörte die Überlastung des öffentlichen Gesundheitswesens und des medizinischen Personals in der Coronakrise, als besonders viele Fälle unbehandelt blieben. Eigentliche Ursache ist der nach wie vor unzureichende Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. In vielen Regionen und Ländern verschärfte sich zuletzt die Lage nach teils klimawandelbedingten Überschwemmungen sowie infolge von Kriegen, Wirtschaftskrisen, Konflikten und Vertreibungen.

Beim Kampf gegen die Cholera sollen auch Impfungen helfen, doch präventive Kampagnen werden derzeit international gegenüber Noteinsätzen hintenangestellt. Zwar hat sich das Angebot an oralen Vakzinen seit 2013 verachtzehnfacht, doch die beispiellose Nachfrage ist nicht annähernd zu decken, zumal einer der beiden Hersteller den Markt verlassen hat und der verbliebene, Eubiologics aus Südkorea, überfordert ist. »Hintergrund ist, dass der Markt kommerziell nicht attraktiv genug ist«, kritisiert die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Wegen der Knappheit wird zurzeit meist statt zwei nur noch eine Dosis verabreicht, was aber einen kürzeren Schutz bietet. Im vergangenen Jahr wurden etwa 36 Millionen Dosen produziert, während nach WHO-Angaben allein 14 betroffene Länder den doppelten Bedarf für eine reaktive Ein-Dosis-Strategie anmeldeten. Erst mit dem Marktantritt eines neuen Herstellers, womit Ende des Jahres gerechnet wird, dürfte sich die Lage etwas verbessern.

Zahlreiche Hilfsorgansationen und UN-Institutionen appellierten bereits vor einigen Monaten »an Impfstoffhersteller, Regierungen, Geber und Partner, die Produktion von Impfstoffen dringend hochzufahren und in alle notwendigen Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung der Cholera zu investieren«. WHO-Direktor Ryan sagt dazu in ungewohnter Deutlichkeit: »Wir brauchen dringend Maßnahmen an allen Fronten, einschließlich des Engagements der Länder für sauberes Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene. Es ist eine Tragödie, dass die Cholera auch heute noch Menschen heimsucht und tötet.«

Kurzfristig geht es indes um die Bereitstellung von Diagnoseverfahren. Das jetzt gestartete Programm werde »die rechtzeitige und genaue Erkennung von Choleraausbrüchen und die Reaktion darauf verbessern, indem es die Routineüberwachung und die Testkapazitäten erhöht«, heißt es von den Beteiligten. Noch ist man aber im reinen Notfallmodus: Zur Verlässlichkeit der eingesetzten Tests gibt es erst vorläufige Erkenntnisse – die Studien sind noch nicht abgeschlossen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -