Puccini: Der Künstler als Marke?

Die Berliner Ausstellung »Opera meets new media« zeigt den Aufstieg Puccinis als unternehmerische Erfolgsgeschichte

Puccini – ein früher Medienstar
Puccini – ein früher Medienstar

Geht man dieser Tage Berlins Prachtstraße für Automobilisten Unter den Linden entlang und an der ehrwürdigen Staatsoper vorüber, sieht man schon die übergroße Ankündigung: Eine »Tosca«-Premiere steht an im Mai. Mal wieder. Giacomo Puccini ist, nur unter anderem mit diesem Werk, nicht wegzudenken aus den Opernspielplänen von Sydney bis Stockholm. Und das hat nichts mit dem 100. Jahrestag seines Todes in diesem November zu tun, sondern ist ein Dauerzustand im Musiktheater (wo sich ohnehin nicht allzu viel bewegt).

Nur wenige Meter von der Staatsoper entfernt unterhält der Bertelsmann-Konzern seine Hauptstadt-Repräsentanz, in der am Donnerstag eine Ausstellung mit dem klangvollen, aber etwas nichtssagenden Titel »Opera meets new media« eröffnet wurde. Erst der Untertitel gibt eine Idee davon, was den Besucher – bei freiem Eintritt! – erwartet: »Puccini, Ricordi und der Aufstieg der modernen Unterhaltungsindustrie«.

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Bertelsmann verfügt über das umfangreiche Archivio Storico Ricordi, aus dem hier Dokumente zugänglich gemacht werden. Der italienische Musikverlag Ricordi ist seit dem 19. Jahrhundert eine Institution im Bereich klassische Musik. Giuseppe Verdi heißt der erste Star des Unternehmens, aber mit Puccini begann der Marsch durch die Opernhäuser der Welt. Und so will diese Ausstellung von den Wechselwirkungen zwischen Puccinis Schaffen und dem Medienwandel im frühen 20. Jahrhundert erzählen. In Puccinis Lebzeiten – der Komponist starb 1924 im Alter von 65 Jahren – fällt immerhin die Erfindung von Stumm- und Tonfilm sowie der Schallplatte. Die Oper, eine Kunstform für ein zahlenmäßig überschaubares Liebhaberpublikum, konnte plötzlich Massen erreichen.

Nun ist allerdings das, was als komplexe Wirkungsgeschichte unter veränderten medialen Bedingungen aufgebauscht wird, gar nicht so zentral wie ein anderer Punkt: Die Ausstellung trifft keine ästhetischen Urteile, sie erzählt im Grunde genommen eine Unternehmensgeschichte, und zwar als Erfolg. Ricordi bringt es mit dem Siegeszug der italienischen Oper zu einem »Global Player«. Kluges Marketing und schnelle Anpassung an veränderte Marktbedigungen garantieren das ökonomische Fortkommen. An einer Stelle der Ausstellung ist von der »Entwicklung der Marke« Puccini die Rede, was offenbar vollkommen wertfrei gemeint ist. Die Durchsetzung neuer Medien versteht man in der Führungsetage von Ricordi vor allem als kostenlose Werbung und als Einnahmequelle im Lizenzgeschäft. All das erfährt man eher zwischen den Zeilen, aber das macht es nicht minder aufschlussreich.

Dem Ausstellungstitel verpflichtet hat man sich entschieden, »multimediale« Vermittlungsarbeit zu leisten. Dabei ist der Nutzen nicht recht ersichtlich, wenn man dem Ausstellungsbesucher die Freiheit nimmt, selbst über sein Tempo zu verfügen, weil die Informationen auf den Bildschirmen auftauchen und verschwinden. Dass aber Teile der Ausstellung ins Internet verlegt wurden und man also, QR-Codes scannend, im Ausstellungssaal auf sein Handy zu starren aufgefordert ist, ist auch eine Beleidigung der Sinne.

Ein anderes Beispiel für den zwanghaften Umgang mit den neuesten Technologien wird unter der Überschrift »Die Original-Bühnenbildentwürfe zu Puccinis ›Turandot‹, neu gedacht mit den Mitteln der KI« präsentiert. Galileo Chinis Skizzen für die Uraufführung an der Mailänder Scala im April 1926 werden in einen computergenerierten Fotorealismus übersetzt und übergroß projiziert, bei dem die täuschend echt wirkenden Vögelchen plötzlich über dem Bühnengeschehen flattern. In der hochartifiziellen Kunstform Oper mit einem derartig rückwärtsgewandten Naturalismus aufzuwarten, ist allerdings eine skurrile Idee, die wohl nur der Technikverliebtheit wegen geboren wurde.

»Opera meets new media. Puccini, Ricordi und der Aufstieg der modernen Unterhaltungsindustrie«, Bertelsmann-Repräsentanz, Berlin, bis 16. Mai.

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