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Charité Facility Management: Ein Hauch von Inflationsausgleich
Gewerkschaft ausgebremst: Charité-Tochter CFM zahlt Inflationsprämie von 114,50 Euro
Zugegeben, es ist nur ein Häufchen von etwa 20 Beschäftigten der Charité-Tochter Charité Facility Management GmbH (CFM), das sich am Montagnachmittag zu einer Kundgebung am Standort in der Luisenstraße in Mitte eingefunden hat. Mit einem Spruchband und Flugblättern machen sie die elegant, zuweilen festlich gekleideten Gäste des verspäteten Charité-Neujahrsempfangs auf sich aufmerksam. »Hier gibt es nichts zu feiern! Wir, die Beschäftigten der Charité CFM, fordern einen Inflationsausgleich von 3000 Euro! Jetzt!« Das steht auf den Flyern, die die Beschäftigten, viele von ihnen in Handwerkskleidung, verteilen.
Allen Stammbeschäftigten der Charité und auch denen der landeseigenen Vivantes inklusive ihrer Servicegesellschaften wurde ein Inflationsausgleich von 3000 Euro gezahlt. Die CFM-Belegschaft bekam bisher nichts. Aktuell nährt aber vor allem eine interne Mitteilung der CFM den Unmut. Die Mitteilung liegt »nd« vor. Demnach will die CFM einmalig 114,50 Euro pro Mitarbeiter*in auszahlen. Dem voraus ging jedoch ein Beschluss von Verdi, einen Betrag in gleicher Höhe an Gewerkschaftsmitglieder zu zahlen. In einem Sondertarifvertrag ist ein Geldtopf von jährlich 100 000 Euro als Exklusivleistungen für Gewerkschaftsmitglieder festgelegt. Über die Verwendung bestimmt Verdi.
Noch am selben Tag, an dem die CFM bestätigte, die von Verdi beschlossene Auszahlung umzusetzen, sei über das Intranet an die Mitarbeiter*innen eine Info herausgegangen, wonach alle Beschäftigten die 114,50 Euro bekommen sollen, sagt Tim Graumann, Verdi-Gewerkschaftssekretär, zu »nd«. Ausschließlich dem Betriebsrat sei zudem mitgeteilt worden, dass Gewerkschaftsmitglieder von der durch die CFM initiierte Ausschüttung ausgenommen seien. »Die Inflationsausgleichszahlung wird einmalig an alle CFM-Beschäftigten ausgezahlt« teilt die CFM auf nd-Anfrage mit. »Eine doppelte Zahlung gibt es nicht.« Der geplante exklusive Gewerkschaftsbonus wird so unterlaufen.
Man wisse, »dass der ausbleibende Inflationsausgleich zu Frustration und Enttäuschung geführt hat«, heißt es in der CFM-Mitteilung. Man habe dafür großes Verständnis. Die 114,50 Euro würden sich aus der Aufteilung des Jahresergebnisses auf alle Mitarbeiter*innen ergeben. Gerne hätte die CFM eine höhere Summe ausgezahlt. »Mit dieser Entscheidung möchten wir das Wenige, was uns zur Verfügung steht, gerne an Sie geben.«
Verdi werde rechtlich prüfen lassen, ob die CFM Gewerkschaftsmitglieder von ihrer Zahlung ausnehmen könne, sagt Gewerkschafter Graumann. »Die CFM will offenbar gewerkschaftliche Mitgliedschaften unterbinden«, deutet Maik Sosnowsky, Betriebsratsvorsitzender der CFM und Verdi-Mitglied, im Gespräch mit »nd« die Ankündigung seines Arbeitgebers. Man habe sich als Gewerkschaftsmitglieder ja gerade darauf verständigt, den kleinen Beitrag auszuzahlen, weil die CFM sich auf die Forderung nach einer Inflationsprämie bisher nicht bewegt habe, so Sosnowsky.
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»Wir finden das nicht richtig«, heißt es aus einer Gruppe von vier Frauen, die auf der Kundgebung unter einem Schirm zusammengerückt sind. Sie wollen die 3000 Euro Inflationsausgleich. Sieben Jahre und länger arbeiten sie zusammen in der Zentralküche. Mittlerweile verdiene sie 2200 Euro brutto für 35 Stunden Arbeit in der Woche, sagt eine. Eine andere hat prompt die Lohntabelle auf dem Handy zur Hand: Neulinge würden mit 2251 Euro in Vollzeit starten. Das sind 13,27 Euro pro Stunde. Laut Betriebsrat besteht im Schnitt ein Lohnabstand von 700 Euro zwischen Vollzeitbeschäftigten von Charité und CFM.
Ohne ihre Arbeit bekämen die kranken Leute kein Essen, sagen die Frauen. »Es ist wirklich harte Arbeit. In der Küche haben wir oft mit sehr hohen und dann wieder mit sehr niedrigen Temperaturen zu tun. Noch dazu herrscht Zeitdruck.« Eine Handvoll ihrer Kolleg*innen habe den 3000-Euro-Inflationsausgleich bekommen. Sie fallen wie die Stammbeschäftigten unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), weil ihr Arbeitsverhältnis noch vor der Ausgründung der CFM 2006 begonnen hat. Auf die Frage, warum sie direkt bei der Charité beschäftigt sein wollen, heißt es von der Gruppe unter dem Schirm: »Weil wir für die Charité arbeiten.«
Ein weiterer Mitarbeiter ist unzufrieden mit der Gewerkschaft: »Fakt ist, in dem Tarifvertrag von 2020 spiegeln die Löhne in keinster Weise die Arbeit wider.« Er kenne auch keinen Tarifvertrag, der vier Jahre dauere. Er hatte es sich offengehalten, je nach Abschluss auch Mitglied der Gewerkschaft zu werden. Bis heute ist er das nicht, unterstützt aber seine Kolleg*innen, die es sind.
Wenn Ende des Jahres der Tarifvertrag auslaufe, sagt der Betriebstechniker, der seit über elf Jahren für die CFM arbeitet, werde er auch zugunsten des Arbeitskampfes auf seinen Lohn verzichten – Streikgeld gibt es nur für Mitglieder. Dann werde sicher noch mal die Luft brennen, sagt er, aber an dem kommenden Abschluss werde er wie viele andere endgültig bemessen, ob er bei der CFM bleibt oder geht. »Der TVöD muss der Maßstab sein.« Gewerkschafter Graumann bestätigt »nd«: »Die konkreten Ziele für die nächste Runde sind noch nicht formuliert, die Forderungen nach einer TVöD-Anbindung gilt aber seit Jahren.«
Der Senat schätzt, dass eine Übernahme des TVöD etwa 36,5 Millionen Euro pro Jahr kosten könnte. Würde die CFM in die Charité reintegriert, wie es laut Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot vereinbart ist, würde der TVöD automatisch zur Anwendung kommen. Aus dem Senat hieß es im Dezember, es gebe noch keinen konkreten Zeit- und Maßnahmenplan. Auf nd-Anfrage antwortete die Senatsverwaltung für Gesundheit, eine Arbeitsgruppe mit der Verwaltung für Finanzen habe sich konstituiert. Die Reintegration sei ein in vielfältiger Hinsicht komplexes Problem, entsprechende Fragestellungen würden umfassend geprüft.
Der Charité seien die ökonomischen Belastungen, die die Beschäftigten in den letzten Monaten zu tragen hatten, bewusst, teilte ein Sprecher »nd« mit. Zugleich verwies er aber auf die Sicherheit der Arbeitsplätze und darauf, dass in vergleichbaren Unternehmen der Branchen weniger bezahlt werde.
Etwa 3100 Beschäftigte arbeiten bei der CFM, 21 500 beim gesamten Charité-Konzern. Die CFM verantwortet nach eigenen Angaben »alle nichtmedizinischen sowie nichtpflegerischen Dienstleistungen«.
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