Staatsanwaltschaften unterbesetzt und überlastet

SPD kritisiert grünen Justizminister und fordert Stellen-Offensive

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Weil es immer mehr unbesetzte Stellen gibt und zugleich die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter in der nordrhein-westfälischen Justiz steigt, fordert die SPD in Nordrhein-Westfalen eine Stellen-Offensive von Landesjustizminister Benjamin Limbach (Grüne). »Seitdem Herr Limbach Justizminister in NRW ist, ist die Belastung in den Staatsanwaltschaften stark gestiegen.

Nun will er, dass 100 Stellen aus den Gerichten zu den Staatsanwaltschaften wechseln. Dabei sollen die Gerichte sich aussuchen können, ob sie freie Stellen abgeben oder tatsächlich Personal weiterreichen. Die Justiz ist aber kein Verschiebebahnhof«, sagt Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, zum »nd«. Sie spricht von 2850 unbesetzten Stellen in der NRW-Justiz.

Der seit Monaten heftig in der Kritik stehende Limbach hat am Freitag geplante Maßnahmen zur Entlastung der 19 Staatsanwaltschaften im größten Bundesland vorgestellt. Der Plan reiße aber neue Löcher auf, um andere zu stopfen, kritisiert Müller-Witt. »Am Ende des Tages werden die Beschäftigten nur wirklich entlastet, wenn endlich Maßnahmen ergriffen werden, um die 2850 freien Stellen in der Justiz zu besetzen.«

Tatsächlich ist aber Personal schwierig zu bekommen, weiß auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende. Die Zahlen der eingehenden Bewerbungen sei rückläufig. Gleichzeitig steige der Krankenstand.

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Dass die 19 Staatsanwaltschaften an Rhein und Ruhr in so gut wie allen Bereichen seit vielen Jahren unterbesetzt sind, ist nichts Neues. Der hauptsächliche Grund liegt wohl in der geringen Attraktivität des Berufes. Die Gehälter liegen laut der Meinung eines dem »nd« bekannten Oberstaatsanwaltes aus dem Ruhrgebiet insbesondere im gehobenen (Rechtspfleger) und mittleren (Geschäftsstelle) Dienst unter dem, was andere öffentliche Arbeitgeber zahlen. Der Personalmangel fange bei der Wachtmeisterei an und höre bei den Oberstaatsanwälten auf.

Der Oberstaatsanwalt verdeutlicht das am Beispiel der Rechtspfleger. Die Justiz selbst bilde diese in einem dreijährigen FH-Studiums »zeit- und kostenträchtig« aus. Kurz nach Dienstantritt suchten sich die Rechtspfleger aber nicht selten Jobs bei der Polizei oder in Kommunalverwaltungen. »Die sind dann in der Regel besser bezahlt und bringen weniger Arbeit mit sich, weil die Personaldecke dort nicht so dünn ist wie bei der Justiz.«

Dass selbst nur noch wenige Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bereit seien, den für höhere Karrieren, also etwa zukünftige Behördenleiter, vorgesehenen Weg zu gehen, irritiert den erfahrenen Beamten – trotz sehr guter Bezahlung. Demnach gebe es mittlerweile Leitende Oberstaatsanwälte, »die eigentlich für diese Posten vorgesehenen Voraussetzungen, insbesondere die mehrjährige Verwendung im Justizministerium, gar nicht mitbringen«.

Nicht nur in NRW, sondern auch bundesweit nimmt die Arbeitsbelastung und die Anzahl unerledigter Fälle im Staatsanwaltschaften zu. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes sind im vergangenen Jahr 906 536 Verfahren offen gewesen. Innerhalb von zwei Jahren sei die Zahl unbearbeiteter Akten damit um ein Viertel gestiegen. 2021 lag die Zahl noch bei 727 021 nicht erledigter Verfahren.

Die Angaben gehen auf eine Umfrage bei den Justizverwaltungen der Länder zurück, die die vom Richterbund herausgegebene »Deutsche Richterzeitung« durchgeführt hat. Berücksichtigt wurden dabei nur die Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte.

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