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Hochschulen in Berlin: Klimaschutz im Sanierungsstau
Hochschulen debattieren über Public-Private-Partnership-Modelle
Es ist eine bittere Ironie: Grundlagenforschung in experimentellen Großanlagen liefert entscheidende Erkenntnisse im Kampf gegen den Klimawandel – und zugleich produzieren die komplexen Anlagen wie Supercomputer oder Riesenmessinstrumente selbst massenweise CO2. Für die Hochschulen, die sich verpflichtet haben, in absehbarer Zeit klimaneutral zu werden, ist das ein Problem. »Stellt man diese Anlagen ab, stellt man auch die dazugehörige Forschung ab«, sagte Thimo von Stuckrad, Nachhaltigkeitsreferent bei der Hochschulrektorenkonferenz, am Montag im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Für die Unis ist es nicht die einzige Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Seine Hochschule komme mit 40 000 Mitgliedern auf einen ähnlichen Stromverbrauch wie eine Kleinstadt, rechnete TU-Kanzler Lars Oeverdiek vor. Ein Großteil der Gebäude ist mehr als 50 Jahre alt und weit entfernt von Energieeffizienz.
Den Gebäudebestand zu sanieren, ist ein kompliziertes Unterfangen. »Im laufenden Betrieb zu sanieren, ist eigentlich umöglich«, sagte Oeverdiek. Die Lösung ist nach Oeverdiek eine Sanierungskette. Es sollen also Lehrveranstaltungen und Büros in ein Ausweichgebäude wechseln, damit das eigentliche Gebäude saniert werden kann.
Nur: Dafür muss es erstmal ein Ausweichgebäude geben. »Am Anfang jeder Sanierungskette steht ein Neubau«, so Oeverdiek. Dabei geht es auch um andere Bereiche: »Wenn wir unsere Trafos nicht sanieren, müssen wir über Photovoltaik gar nicht nachdenken«, so Oeverdiek.
Andere Experten hielten das nicht für alternativlos. »Sanierung im laufenden Betrieb ist eine Möglichkeit«, sagte Samsøe Sattler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Es gebe »schöne Beispiele für minimalinvasive Eingriffe«. Für ihn geht es eher um die Frage, wie saniert wird. »Wir müssen bei Komfortansprüchen runtergehen«, so Sattler. Manchmal hälfen auch »Low-Tech-Lösungen« – wie große Fenster statt Klimaanlagen.
Egal, wie saniert wird – teuer wird es am Ende sicher. Auf etwa acht Milliarden Euro beläuft sich der Sanierungsstau an den Hochschulen zurzeit. Dass das vom Senat geplante Klima-Sondervermögen nach einem Gutachten auf Eis gelegt wurde, macht die Situation nicht einfacher.
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) hatte sich zuletzt für neue Finanzierungswege ausgesprochen. Die Sanierungen zu finanzieren, sei nicht möglich, »ohne dass wir eine Hochschul-Baugesellschaft gründen, die diesen Investitionsstau abbaut«, sagte sie Mitte April vor Unternehmern. Die neu zu gründende Baugesellschaft soll an den Finanzmärkten Kredite aufnehmen können, Landes- und Unihaushalte blieben weitgehend unbelastet.
Einen Schritt weiter ging noch TU-Kanzler Oeverdiek. »Wir sollten uns gegenüber Public-Private-Partnership-Modellen nicht verschließen«, sagte er. Wenn private Investoren beteiligt werden, müssten die Unis die Gebäude aber mieten, bis die Kosten abgetragen sind. »PPP ist auch eine Form von Verschuldung«, warnte Annabella Rauscher-Scheibe, Präsidentin der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Wenn sich die Politik für diesen Weg entscheiden sollte, müsse sie auch garantieren, dass die Finanzierung der Mietzahlungen dauerhaft gesichert ist.
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