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Ausstellung »Protest/Architektur«: Friede den Hütten!
Eine Ausstellung in Wien beschäftigt sich mit Protest und Architektur
Wie baut sich politischer Widerstand in den physischen Raum? Welche Konstruktionen aus Holz, Metall, Stoff hinterlassen, helfen, verstetigen, befördern Proteste? Eine Ausstellung im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) nimmt sich der »Protest/Architektur« an, und der Untertitel »Barrikaden, Camps, Sekundenkleber« verdeutlicht, dass man konzeptuell möglichst viele Spielarten des politischen Protests unter einen Hut bzw. in einen Museumsraum bringen will: Der Körper eines Klimaklebers gehört genauso zum Thema wie die klassische Pariser-Kommune-Barrikade, ebenso Umweltschützerunterkünfte im Wald.
Wer also im MAK die Dauerausstellung zur Geschichte der vornehmeren Inneneinrichtung links liegen lässt und stattdessen die von Oliver Elser vom Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main und Sebastian Hackenschmidt vom MAK kuratierte »Protest/Architektur« wählt, findet sich wieder vor einer riesigen Plane, auf der unter anderem eine Säge, ein Hammer, ein Wurfzelt, Klebeband, Akkuschrauber und ein Fahrrad platziert sind. Es handelt sich um die »Lützerath-Wunschliste«, zusammengesammelt im Umfeld des MAK kurz vor der Räumung des Protestcamps im vergangenen Jahr, wo Hunderte zu verhindern versuchten, dass der Energieriese RWE den Weiler Lützerath und das Dorf Immerath abreißen, um dort den Tagebau mit dem garstigen Namen Garzweiler II auszudehnen.
Ein »Werkzeugkasten der Protestarchitektur« findet sich hier laut Ausstellungstext, und das beweist, dass keineswegs Destruktivität bei politischen Protesten primäres Motiv sein muss, sondern Kreativität, Kooperation, Geschick im Umgang mit Ressourcen gefordert sind, wenn sich Protest längerfristig in einem Raum breitmacht und sich nicht in einer Latsch-Demo ergeht.
Kommentierte Foto-Strecken und viele, viele aufwendig gestaltete Miniaturen unterschiedlicher kleiner Gebäude, die an der TU München und der Hochschule für Technik Stuttgart gebaut wurden, illustrieren verschiedene Proteste. Die Baumhäuser des Hambacher Forsts hängen von der Decke, mit filigranen Fäden verbunden, die Brücken zusammenhalten. Diese feinen Modelle bilden einen Kontrast zu den schweren, eben zur Erleichterung von Rücksichtslosigkeit geschneiderten Polizeiuniformen, die genau daneben platziert sind.
Zu den lustigsten Exponaten gehört sicherlich der »Wendenpass«, mit dem man Zugang zur Republik Freies Wendland erlangte, die 1980 von der Anti-AKW-Bewegung bei den Gorleben-Protesten gegründet wurde. Wer hier ahistorisch Reichsbürgerei wittert, liegt falsch, denn der Pass sei gültig »für das gesamte Universum (...), solange sein Inhaber noch lachen kann«. Etwas kitschig, aber lieb.
Zentral platziert ist Oliver Hardts sehenswerte Video-Arbeit »Protest/Architecture«, die unterschiedliche Filmaufnahmen von Protesten auf verschiedenen Kontinenten und aus verschiedenen Jahrzehnten zeigt: Bilder der Demos vom Tahrir-Platz in Ägypten, die Proteste indischer Bauern 2021, wo Zeltstädte errichtet wurden, die Umbrella in Hongkong von 2014 mit ihren Regenschirmflächen und viele mehr. Sie werden mit Informationstexten an windschief positionierten Gitterwänden und den bereits erwähnten, detailreichen Miniaturmodellen präsentiert, die einen Eindruck vermitteln, wie sich Raum wo auf welche Weise temporär angeeignet wird.
Bei der Poor People’s Campaign Resurrection City versammelten sich Tausende Schwarze und andere von Armut betroffene Amerikaner*innen in Washington D. C. – organisiert wurde das von Martin Luther King Jr. – und zimmerten aus vorgefertigten Hausbauelementen eine Proteststadt: Resurrection City. Das ist dann doch beeindruckender und historisch relevanter als die erste Wiener Öko-Pyramide in Lobau, wo man sich gegen ein sozialdemokratisches Autobahn-Projekt wehrte. Beiden Protestarchitekturen wird allerdings ungefähr gleich viel Platz eingeräumt.
Allerlei juristische Fragen zu Protestverhalten(sfehlern) werden auf einem Tisch kurz und bündig von Rechtsanwalt Marcus Hohenecker geklärt. Dass gerade bei den genannten deutschen Protesten nach oben gebaut wird, hat etwa damit zu tun, dass ab 2,50 Metern Höhe nach gängiger Polizeipraxis Spezialeinheiten anfahren müssen, ein »Höheninterventionsteam«, was Zeit bringt: Baumhäuser & co. als »Verzögerungsarchitektur«.
Auch wenn der Unterschiedlichkeit der Proteste, ihrer jeweiligen Dringlichkeit, den politischen Motiven in der MAK-Ausstellung nicht Rechnung getragen wird, was für Beteiligte der heftigeren Auseinandersetzungen sicher nicht so schön ist, lohnt sich ein Besuch angesichts der Exponate, Miniaturen und eben der Vielseitigkeit von »Protest/Architektur«. Ebenfalls empfehlenswert ist die Begleitpublikation, ein Lexikon, in dem sich allerlei Artikel finden, deren Themen von 1830 bis 2023 reichen, von A wie »Abschütten« bis Z wie »Zwentendorf« in Niederösterreich, wo ein Kernkraftwerk steht, das auch nicht protestfrei in Betrieb genommen werden konnte.
»Protest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber«, bis 25. August im Museum für angewandte Kunst in Wien.
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