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Ägyptens geheimer Pushback-Plan

Tausende Flüchtlinge aus dem Sudan werden verhaftet und abgeschoben, dazu dient ein Netz geheimer Militärgefängnisse

Sudanesische Geflüchtete: Ägyptens geheimer Pushback-Plan

Ägyptens Militär hält Tausende Geflüchtete aus dem Sudan gefangen, um sie anschließend wieder in das vom Krieg zerrissene Land abzuschieben. Dazu werden die Menschen in einem Netz geheimer Militärstützpunkte festgehalten. Das geht aus einer Reportage hervor, die die Journalisten Sara Creta und Nour Khalil vergangene Woche im Magazin The New Humanitarian veröffentlicht haben.

Die Recherche für den Artikel erfolgte zusammen mit der Refugees Platform in Ägypten. Dabei kam auch heraus, dass die Regierung eingesperrten Geflüchteten systematisch die Möglichkeit verweigert, Asyl zu beantragen. In der Recherche werden mindestens drei Dutzend derartiger Pushbacks belegt. Weitere 44 Fälle wurden von der Egyptian Commision for Rights and Freedom, einer zivilgesellschaftlichen Gruppe, die Menschenrechtsverletzungen überwacht, dokumentiert. Damit verstößt Ägypten gegen Flüchtlingskonventionen, die es selbst ratifiziert hat.

Obwohl ein Abkommen die Freizügigkeit zwischen den beiden Ländern garantiert, verweigern ägyptische Behörden laut dem Bericht vielen Sudanesen die legale Einreise. Dies verschärfe die Situation für Flüchtende, die deshalb vermehrt auf Schmuggler angewiesen seien.

Ägypten ist historisch eng mit dem Sudan verbunden, Millionen von sudanesischen Migranten leben deshalb in dem Land. Die Regierung steht in dem aktuellen Konflikt zwischen der sudanesischen Armee und ihren ehemaligen Verbündeten, den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), auf der Seite der Armee.

Creta und Khalil sprechen von einer »Kampagne«, um Menschen aus dem Sudan das Recht auf Asyl zu verweigern. Daran seien mehrere Teile des ägyptischen Sicherheitsapparats sowie andere Regierungsstellen beteiligt. Ihre Behauptungen untermauern sie mit Aussagen von 15 Abgeschobenen sowie deren Angehörigen und Freunden, außerdem sprachen sie mit Anwälten, Regierungsbeamten und Mitarbeitern von Menschenrechtsgruppen.

Weitere Informationen stammten aus Dokumenten von Polizei, Militär und Staatsanwaltschaft. Mithilfe von Open-Source-Untersuchungstechniken konnten die beiden Reporter die Standorte von einem halben Dutzend Militäranlagen recherchieren, die offenbar ohne ein Gesetz als Haftanstalten genutzt werden. Dabei soll es sich auch um Orte handeln, an denen schon Anwälte und Regierungskritiker getötet wurden oder verschwunden sind.

In den Akten der Behörden seien Creta und Khalil auf Beschreibungen einzelner Pushbacks gestoßen, darunter auch von Kindern. Die Verhaftungen beträfen auch ägyptische Fahrer, die von den Beamten gefoltert werden, um Aussagen zu erpressen. Einige der Geflüchteten berichteten den Reportern außerdem, dass ägyptische Grenzbeamte in Wüstengebieten auf sie geschossen hätten. Andere sagten aus, sie seien in Städten zusammengetrieben und von den Sicherheitsbehörden falscher Vergehen beschuldigt worden, darunter Schmuggel, Zugehörigkeit zu einer kriminellen Gruppe oder »Verursachung eines schwerem Schadens« für Ägypten.

Aufgrund von Aussagen der Geflüchteten konnten die Reporter rekonstruieren, dass die Behörden Hunderte von Menschen in Massenabschiebungen mit Bussen zu den Grenzübergängen gebracht haben. Einige berichteten, dass ihnen Grenzbeamte oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen Lebensmittel, Getränke und Hygieneartikel gegeben hätten. Auf den Taschen seien die Logos des Welternährungsprogramms und von USAID aufgedruckt gewesen.

Unter den Abgeschobenen hätten sich den Aussagen zufolge auch Kinder, ältere Menschen und schwer verletzte Personen befunden, sowie Sudanesen, die bei den Vereinten Nationen als Flüchtlinge registriert waren.

Infolge des neuen EU-Migrationsabkommens und einem Finanzierungspaket in Höhe von 7,4 Milliarden Euro, darunter rund 200 Millionen Euro für die Migrationskontrolle, werden die Pushbacks vermutlich zunehmen. Zu dieser Einschätzung kommen Experten, die für die Reportage befragt wurden. Die EU-Gelder könnten die Zahl der Grentztoten verschlimmern und das ohnehin schon dominante Militär, das die Ursache vieler Probleme in Ägypten ist, weiter stärken, sagt etwa der auf Sicherheitsbehörden spezialisierte ägyptische Journalist und Wissenschaftler Hossam el-Hamalawy.

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