Palast der Republik: Versöhnungsversuch im Berliner Stadtschloss

Das Humboldt Forum steckt viel Arbeit in seinen Jahresschwerpunkt zum Palast der Republik – und erntet doch Kritik

Bilder, die es aufzuarbeiten gilt: Der Abriss des Palasts der Republik sorgt heute noch für Unmut.
Bilder, die es aufzuarbeiten gilt: Der Abriss des Palasts der Republik sorgt heute noch für Unmut.

Für Hartmut Dorgerloh ist es eine Frage der Verantwortung – für einen hochpolitischen Ort, der die deutsche Geschichte widerspiegelt wie kaum ein anderer. »Es ist immer wieder sehr erstaunlich, wie stark wir doch die Fähigkeit verlernt haben, erst einmal zuzuhören, bevor wir uns eine Meinung bilden«, sagt der Generalintendant des Humboldt Forums am Mittwoch. Dort, wo zwischen 2006 und 2008 mit dem Palast der Republik eines der bedeutendsten Kulturgüter der DDR abgerissen wurde, will Dorgerloh einen »Raum der Vielstimmigkeit«, einen »Ort für Selbstreflexion« schaffen.

Im umstrittenen Berliner Schloss startet die Stiftung Humboldt Forum eine Art Aufarbeitungsoffensive: Veranstaltungen, Führungen, Workshops, Virtual Reality, Thementage und aufwendige Theaterinszenierungen bilden den Jahresschwerpunkt zum Palast der Republik. »Der Palast steckt uns in den Knochen«, sagt Dorgerloh. Ziel sei es, Impulse zu neuen Debatten zu geben. Doch auch der Intendant weiß: »Das Thema triggert, wie man heute sagt.«

Im Zentrum aber steht die Sonderausstellung: Auf 1300 Quadratmetern mit rund 300 Exponaten widmet sich »Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart« der Entstehungsgeschichte des ehemaligen Sitzes der Volkskammer bis hin zur heutigen Debatte um dessen Nachfolger, das Stadtschloss. Besucher*innen sollen sich dabei nicht nur informieren und Originalobjekte aus dem Palast selbst bewundern können. Sie sind auch angehalten, ihre eigene Meinung zur Debatte um das Stadtschloss zu hinterlassen.

Jahrelang habe sich das Humboldt Forum auf den polarisierenden Themenschwerpunkt vorbereitet, sagt Judith Prokasky, Programmleiterin von »Der Palast der Republik ist Gegenwart«. Bei der Auswahl ihres Teams sei darauf geachtet worden, so viele unterschiedliche Perspektiven wie möglich zusammenkommen zu lassen: von Zeitzeug*innen und Expert*innen bis hin zu Menschen, die den Palast der Republik nie zu Gesicht bekamen. Gemeinsam, führt Prokasky aus, habe man diskutiert und sei zu den sozialistischen Palästen in Warschau, Bukarest und Sofia gereist. Über 80 Audio- und Videointerviews habe das Team geführt, einige von ihnen über mehrere Stunden.

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Eine der prominentesten Mitarbeiter*innen ist Sabine Bergmann-Pohl (CDU), Präsidentin der Volkskammer von April bis Oktober 1990 und letztes Staatsoberhaupt der DDR. Den Abriss des Palasts sieht sie bis heute kritisch. »Mein Empfinden war damals: Hier wird etwas abgerissen, weil es ein sozialistisches Relikt ist und einigen Leuten nicht passt«, sagt Bergmann-Pohl. Trotz des vielen Asbests im Bau habe sie den Abriss ohne Rücksicht auf Kompromissvorschläge als überstürzt empfunden. Die ehemalige Präsidentin spricht von einem »Politikum«, von einem Vorgehen, das sie geärgert habe.

»Es war toll, wie sich der Dom in den Glasfronten gespiegelt hat«, erinnert sich Bergmann-Pohl an den Palast der Republik zurück. Gerne würde sie ihrer Enkelin heutzutage den Ort zeigen können, an dem die Volkskammer die Wiedervereinigung beschlossen habe. Am Berliner Schloss aber lasse sich das historische Ereignis nur noch schwer nachvollziehen, so Bergmann-Pohl. »Aber ich habe meinen Frieden mit dem Schloss gemacht.«

Ebenfalls am Projekt mitgewirkt hat Viet Duc Nguyen, der 1975 aus Vietnam ins sächsische Freiberg zum Studieren zog. Für den DDR-Prachtbau sei er extra nach Berlin gefahren. »Ich habe mir gegönnt, den Palast kennenzulernen mit Freunden«, sagt er. Gemeinsam hätten sie von hier aus schöne Ausflüge durch Ostberlin gestartet. Auch Nguyen versteht, dass die damalige Vorgehensweise mit dem Palast für Empörung gesorgt hat: »Früher waren alle neidisch auf die DDR. Sie hatte den Palast, sie hatte das FEZ.«

In seinem Themenschwerpunkt zeigt sich das Humboldt Forum bemüht, all jenen die Hand zu reichen, die der Verlust des Palasts bis heute schmerzt. Nicht ohne Erfolg: So wird sich etwa der Ernst-Busch-Chor, der seine Wurzeln in der DDR hat, am Theaterspektakel »Bau auf! Bau ab!« von Regisseur Ron Zimmering beteiligen.

Und doch stößt das Versöhnungsprojekt nicht überall auf Gegenliebe: Die Initiative Schlossaneignung kritisiert die Ausstelltung kurz vor deren Eröffnung scharf und wirft dem Humboldt Forum in einer Mitteilung »Zynismus« vor. Unterzeichnet haben unter anderem der Ex-Kultursenator Thomas Flierl (Linke), die ehemalige Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung in Mitte Dorothee Dubrau (Grüne) sowie Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie in Kassel und früherer Direktor der Bauhaus-Stiftung in Dessau.

Gegen alle Einwände sei der Palast der Republik vollständig abgerissen worden, heißt es in dem Schreiben. Trotz seiner historischen Bedeutsamkeit hätten sich die Verantwortlichen dagegen entschieden, Teile des DDR-Kulturguts in den neuen Bau des Berliner Schlosses zu integrieren: »Im Namen der einen, idealisierten preußisch-deutschen Geschichte wurden die Spuren der anderen Geschichte, der Geschichte von Gewalt, Umsturz und Teilung im 20. Jahrhundert ausradiert.« Nun werde mit der »Gegenwart« des ausradierten Palasts geworben.

Die Initiative fordert, die aus ihrer Sicht verdrängten Teile deutscher Geschichte am Berliner Schloss sichtbar zu machen und in das Bauwerk einzuschreiben. »Erst wenn der Bau aus seinem Gefängnis der Geschichtsklitterung befreit wird, wird man hier Ausstellungen ernst nehmen und wertschätzen können.«

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