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Schreibt der US-Pharmakonzern Eli Lilly an unseren Gesetzen mit?
Sieben Mal haben sich Regierungsvertreter seit November mit Eli Lilly getroffen – noch ein Indiz für Einflussnahme auf das Medizinforschungsgesetz
Schon seit Monaten besteht der Verdacht, die Bundesregierung wolle auf Wunsch eines einzelnen Pharmakonzerns, der US-Firma Eli Lilly, eine Gesetzesänderung zur Bepreisung von Arzneimitteln vornehmen. Dafür gibt es jetzt einen neuen Hinweis: Ganze sieben Mal haben sich Mitglieder der Ampel-Regierung seit November 2023 mit der Geschäftsführung von Eli Lilly getroffen. Das geht aus einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Linke-Abgeordneten Kathrin Vogler hervor.
Bei sechs der sieben Treffen ging es nach Angaben des Gesundheitsministeriums um das Medizinforschungsgesetz, das die Ampel demnächst auf den Weg bringen will. In der aktuellen Fassung dieses Gesetzes steht eine umstrittene Neuregelung, die für Eli Lilly besonders lukrativ sein könnte, denn sie ermöglicht es Arzneimittelherstellern, den Erstattungspreis für ihre Medikamente geheimzuhalten. In Gesundheitskreisen wird die Gesetzesänderung schon »Lex Lilly« genannt.
Doch weshalb ist die Änderung umstritten und warum hat genau Eli Lilly ein so großes Interesse daran?
Wenn ein Medikament zugelassen wird, können Pharmaunternehmen in Deutschland erst einmal einen beliebigen Preis von den gesetzlichen Krankenkassen verlangen. Danach wird mit den Kassen verhandelt, welchen Preis diese dem Konzern für das Medikament erstatten. Dieser Preis gilt dann rückwirkend ab dem siebten Monat nach der Zulassung.
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Das ist deshalb so relevant, weil der deutsche Preis für Arzneimittel als Referenzpreis in anderen Ländern genutzt wird. Bedeutet: Andere Länder passen ihre Medikamentenpreise an die Preise an, die in Verhandlung zwischen den Krankenkassen und Pharmaunternehmen in Deutschland entstanden sind.
Die Pharmaindustrie lobbyiert seit Einführung der öffentlich einsehbaren Preise dagegen, weil sie so im Ausland weniger verlangen können. Die offizielle Argumentation: So seien Pharmaunternehmen zu größeren Rabatten bereit und die Krankenkassen würden entlastet. Genauso begründet inzwischen auch die Ampel-Regierung das Vorhaben, den vertraulichen Erstattungspreis einzuführen.
Milliardenkosten für die Krankenkassen
Die Krankenkassen befürchten allerdings Zusatzkosten im zweistellen Milliardenbereich. Nach Berechnungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen würde die Regelung die Kassen 30 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Unter anderem, weil die Ärzte bei geheimen Preisen seltener günstigere Alternativen verschreiben – einfach deshalb, weil sie die günstigeren Preise dann nicht kennen.
Deswegen stellen sich die Dachverbände der Krankenkassen zusammen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss, dem höchsten Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands, und dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IGWiG) offensiv gegen die Neuregelung.
Besonders interessant: Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach lehnte einst die vertraulichen Erstattungspreise ab. Als SPD-Fraktionsvize erteilte er dem Wunsch der Pharmaindustrie noch 2016 »ein klares Nein«, die damals in Zeiten der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz entsprechend verändert sehen wollte. Die Regelung nannte Lauterbach damals eine »unerträgliche Bevormundung der Ärzte.«
Genau diese will er als Gesundheitsminister in der Ampel jetzt einführen. Doch wem nützen die vertraulichen Erstattungspreise, wenn nicht den Krankenkassen, wie die Bundesregierung behauptet?
Eine Gesetzesänderung – 1000 neue Jobs
Der Schlüssel könnte in der jüngsten Regierungsantwort zu finden sein. Seit Beginn der Legislaturperiode fanden sechs Treffen zwischen Vertretern der Bundesregierung und der Geschäftsführung von Eli Lilly statt, bei denen das neue Gesetz thematisiert wurde. Mal im Bundeskanzleramt mit Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Lauterbach, mal in Davos mit Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Und auch bei seiner Reise in Washington im Februar fand der Bundeskanzler am Rande einer Wirtschaftstagung die Zeit, sich mit dem CEO von Eli Lilly zu treffen.
Die bis dato letzte Zusammenkunft fand am 8. April statt – beim ersten Spatenstich für die neue Lilly-Produktionsstätte im rheinland-pfälzischen Alzey. In diese neue Fabrik will Eli Lilly nicht nur 2,3 Milliarden Euro investieren und 1000 neue Jobs schaffen. Dort will das Unternehmen auch sein neues Abnehm-Medikament namens »Zepbound« und das kassenpflichtige Diabetes-Medikament »Mounjaro« herstellen. Beide mit exakt derselben Zusammensetzung.
Hier kommt der springende Punkt: Der Preis des Diabetes-Medikaments ist noch nicht mit den Kassen ausgehandelt. Wäre es für die Öffentlichkeit nachvollziehbar, wie viel die Krankenkassen dafür bereit sind zu zahlen, wäre für Eli Lilly schwerer vermittelbar, warum für ein wirkstoffgleiches Abnehm-Medikament ein sehr viel höherer Preis zu bezahlen sein soll.
Grundsätzlich ist es sehr schwierig, eine direkte Kausalität zwischen Lobbyarbeit und den Entscheidungen der Politik zu beweisen – dazu wäre ein Wortlautprotokoll der Lobbytreffen nötig oder ein Blick ins Gehirn der Politiker. In diesem Fall stellte Lauterbach sogar selbst den Zusammenhang zwischen der Gesetzesänderung und den Plänen von Eli Lilly her: »Schon im Vorfeld des Gesetzes hat es in Erwartung des Gesetzes wesentliche Investitionen durch die Arzneimittelindustrie gegeben«, sagte der Minister auf einer Pressekonferenz Ende März, und zählte mehrere Unternehmen auf – ganz zu Beginn: Eli Lilly, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland im April berichtete.
Kathrin Vogler kommentierte die neuen Erkenntnisse gegenüber »nd«: »Offenbar hat sich Kanzler Scholz persönlich als Unternehmensberater für Eli Lilly betätigt und extra für dieses Unternehmen einen Passus im Medizinforschungsgesetz untergebracht.« Der Kanzler, der sich in den vergangenen Monaten drei Mal mit Vertretern von Eli Lilly getroffen hat, stelle damit die Profitinteressen eines einzelnen Unternehmens über das Wohl der gesamten Bevölkerung, so Vogler. »Das erinnert an sein Handeln als Finanzminister in der Wirecard-Affäre.«
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