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Howoge: Der BER des Schulbaus
Staatssekretär sieht den nach Kostensteigerungen in der Kritik stehenden Howoge-Schulbau als Blaupause für Privatisierungen
Es ist eine der sichtbarsten Früchte der Berliner Schulbauoffensive: Mit dem Neubau an der Allee der Kosmonauten wurde im Frühjahr eines der größten Schulgebäude in Berlin fertiggestellt. Gleich zwei Schulen – ein Gymnasium und eine Integrierte Sekundarschule – sollen ab Beginn des neuen Schuljahrs auf dem 38 000 Quadratmeter großen Gelände unterkommen. Franziska Giffey (SPD) – zu diesem Zeitpunkt noch Regierende Bürgermeisterin – nannte den Mammutbau zum Richtfest das »Flaggschiff« der Schulbauoffensive.
Bauherrin des riesigen Schulgebäudes war die Howoge. Wie kommt es aber, dass das landeseigene Wohnungsunternehmen sich für diesen Schulbau verantwortlich zeigt? Grund ist die bundesweite Schuldenbremse. Sie schränkt die Kreditaufnahme für öffentliche Haushalte massiv ein, was mit einer Einschränkung öffentlicher Investitionen einhergeht. Im Gegensatz zum Landeshaushalt gibt es für die Howoge als privatrechtlich organisierter GmbH keine fixe Schuldengrenze, ihre Kreditaufnahmefähigkeit hängt nur von der Wirtschaftlichkeit ab.
Um die Schuldengrenze zu umgehen, gingen Senat und Howoge daher ein Bündnis für den Schulbau ein. 25 Schulen soll das Wohnungsunternehmen bis Ende der 2030er Jahre im Auftrag des Senats bauen. Der rechtliche Rahmen, unter dem dies stattfindet, zeigt die Absurdität der Schuldenregelung: Das Land Berlin überträgt der Howoge für passende Grundstücke ein Erbbaurecht, damit diese dort in eigener Verantwortung bauen kann. Nach der Fertigstellung vermietet die Howoge die Schulgebäude dann wieder an das Land und soll aus diesen Mietzahlungen die Zinsen für die aufgenommenen Kredite begleichen. Nach 25 Jahren sollen die Gebäude dann in Landeshand übergehen.
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Die Kooperation zwischen Howoge und Senat rief schon bei ihrer Ausrufung 2016 Kritik hervor. Bis heute ist diese nicht abgerissen. »Die Howoge hat ihre Aufgabe nur sehr zögerlich erfüllt«, sagte Carl Waßmuth, Vorsitzender der Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung des DGB-Kreisverbands Tempelhof-Schöneberg im GEW-Haus in Schönberg. Tatsächlich ist das Schulgebäude an der Allee der Kosmonauten bislang das einzige Bauvorhaben, das die Howoge abgeschlossen hat. Bis Juni 2026 sollen sieben weitere Howoge-Schulen mit insgesamt etwa 7100 Schulplätzen fertiggestellt werden.
Waßmuth kritisierte vor allem die aus dem Ruder gelaufenen Kosten des Howoge-Anteils an der Schulbauoffensive. Gerade einmal eine Milliarde Euro setzte die damalige rot-rot-grüne Landesregierung für alle Howoge-Schulbauvorhaben insgesamt an. Seitdem wurde das Budget mehrere Male aufgestockt. Zuletzt kalkulierte der Senat mit 5,6 Milliarden Euro, die das Land an die Howoge zuschießt, dazu kommen Zinskosten in ähnlicher Höhe.
»Das ist die größte Kostensteigerung bei einer Infrastrukturmaßnahme in Berlin seit 20 Jahren«, sagte Waßmuth. Teile man die anfallenden Kosten durch die Zahl der geschaffenen Schulplätze, fielen die Kosten pro Schulplatz knapp zehnmal höher aus als bei Schulbauten, die in Bauherrenschaft der Bezirke errichtet werden. »Die Bezirke können es schneller und billiger«, sagte Waßmuth. Parallel zu den Schulbaumaßnahmen der Howoge haben die Bezirke in Zusammenarbeit mit der Senatsbauverwaltung knapp 25 000 Schulplätze geschaffen.
Torsten Kühne (CDU), Staatssekretär in der Senatsbildungsverwaltung, widersprach dieser Darstellung. »Wenn es wirklich eine Kostensteigerung um den Faktor zehn gegeben hätte, säße jetzt wohl keiner der Verantwortlichen mehr im Amt«, sagte er. Die zunächst veranschlagte eine Milliarde Euro sei nur eine grobe Kalkulation gewesen, die sich als unrealistisch erwiesen habe. »Das war keine seriöse Summe«, so Kühne. Zudem seien seit 2017 die Baukosten massiv angestiegen. Nach Abschluss der Schulbauoffensive zum Ende der 2030er Jahre rechne er damit, dass der Senat nur noch 500 Millionen Euro jährlich an Mietzahlungen im Haushalt reservieren müsse.
Den Kostenunterschied zwischen den von den Bezirken gebauten Schulen und den Howoge-Schulen erklärte Kühne mit einer Aufgabenverteilung: Die Bezirke würden nach der sogenannten Typenbauweise bauen. Damit ist gemeint, dass die Senatsbauverwaltung einen einheitlichen Bauentwurf für Schulbauten entwickelt hat, der mit nur wenigen Anpassungen an die lokalen Gegebenheiten schnell und kostengünstig errichtet werden kann. Die Howoge sei dagegen für besonders große Bauvorhaben mit mehr als 800 Schulplätzen verantwortlich, wobei bei jedem Bauprojekt ein individueller Architekturwettbewerb ausgeschrieben werde. Dass die Howoge-Schulen nur langsam fertiggestellt werden, habe daher auch nichts damit zu tun, dass die landeseigene Gesellschaft schludrig arbeite. »Im Gegenteil: Die Howoge zeichnet sich durch besondere Termintreue aus«, so Kühne.
Für Carl Waßmuth geht es auch um einen grundsätzlichen Punkt: »Die Kooperation mit der Howoge ist eine Privatisierung, die nicht Privatisierung genannt werden darf«, sagte er. Mit der Abgabe der Verantwortung an ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen – wenn auch in öffentlicher Hand – verliere der Staat Einflussmöglichkeiten. »Wir haben keinen Zugriff, wir kriegen am Ende nur die Rechnung«, so Waßmuth. Die Howoge soll für fünf Jahre auch den Unterhalt der Schulgebäude übernehmen, bevor die Bezirke übernehmen.
»Die Kooperation mit der Howoge ist kein Public-Private-Partnership-Modell«, hielt Staatssekretär Kühne entgegen. Die Howoge sei als landeseigenes Unternehmen an strenge Vorgaben im Vergaberecht gebunden. Weil die Howoge zu 100 Prozent in Landeshand liege, könne der Senat umfangreich Einfluss auf die Geschäftstätigkeit ausüben.
Dass er auch mit einer weitergehenden Verantwortungsabgabe kein Problem hätte, ließ Kühne allerdings schon im nächsten Satz durchscheinen. »Ich finde es schade, dass Public-Private-Partnership-Modelle einen solch schlechten Ruf haben«, sagte er. Er könne sich vorstellen, dass auch private Unternehmen in den Schulbau und sogar den Unterhalt der Schulgebäude einsteigen könnten. Neben dem erhöhten Investitionsvolumen böten solche Modelle auch einen organisatorischen Vorteil: So könnten die verschiedenen Aufgaben bei einem Akteur gebündelt werden. »Ich habe die große Sorge, wie die jetzt gebauten Gebäude in ein paar Jahren aussehen werden«, sagte er und warnte davor, dass der Unterhalt der Schulgebäude an überschneidenden Verantwortlichkeiten bei der öffentlichen Verwaltung scheitern könnte. Dass dieses Problem durch eine Neustrukturierung der Verwaltung gelöst werden könnte, bezweifelte er. »Ein einziger Ansprechpartner für den Unterhalt von Schulgebäuden – das ist mit der öffentlichen Verwaltung nicht machbar«, so Kühne.
Die Senatsbildungsverwaltung wolle nun eine Studie in Auftrag geben, um Potenziale von Public-Private-Partnership-Modellen im Schulbau zu prüfen, so Kühne im Anschluss zu »nd«. Dafür seien 100 000 Euro reserviert. Er rechne mit einer Vergabe im kommenden Jahr, sagte Kühne. Welche Modelle genau geprüft werden sollen, konnte er allerdings nicht sagen. »In Skandinavien arbeitet man schon viel mit solchen Modellen, das sollte man sich zum Vorbild nehmen«, sagte Kühne. Auch in Brandenburg gebe es »erfolgreiche« Kooperationen mit Privaten im Schulbau.
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