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»Unser Ziel ist es, den AfD-Parteitag zu verhindern«

Das Bündnis Widersetzen plant zivilen Ungehorsam gegen den Parteitag in Essen

Was ist Widersetzen?

Katharina Schwabedissen: Widersetzen ist ein Zusammenschluss von vielen Organisationen und Einzelpersonen, der sich Ende April mit dem Ziel, den AfD-Parteitag in Essen zu verhindern, gegründet hat. Wir verstehen uns als Ergänzung zu den Bündnissen, die es bereits gibt. Die Allianz für Weltoffenheit und Toleranz, das ist das Bündnis um Oberbürgermeister Thomas Kufen, die zu einer großen Kundgebung am Samstag aufrufen. Und Gemeinsam Laut, das ist ein Zusammenschluss aus VVN/BdA, Aufstehen gegen Rassismus und Essen stellt sich quer. Die ebenfalls Kundgebungen und Demonstrationen geplant haben. Widersetzen hat sich ergänzend dazu gegründet, um mit massenhaften Aktionen zivilen Ungehorsams den AfD-Parteitag zu verhindern.

Das Ziel ist wirklich, den AfD-Parteitag zu verhindern? Oder möglichst viele Menschen nach Essen zu mobilisieren?

Schwabedissen: Das hängt ja zusammen. Wenn wir möglichst viele Menschen nach Essen mobilisieren, was ja auch nach den Massenprotesten der letzten Monate und dann kurz nach der Europawahl, bei der klar wird, wie viele Menschen wirklich die AfD wählen, gar nicht unwahrscheinlich ist, dann hilft die Masse natürlich auch unser Ziel zu erreichen, den Parteitag zu verhindern.

Daniel Haber: Es gibt, glaube ich, der Wunsch, das Wochenende in Essen zu einem Ausgangspunkt zu machen, um entschlossen gegen die rechte Gefahr und die gesellschaftliche Rechtsverschiebung vorzugehen. Die Protest-Choreografie, die Aktionen der verschiedenen Bündnisse, die sind ein Ausgangspunkt, um viele Menschen nach Essen zu bekommen. Wir wollen mit unseren Aktionen dazu beitragen, dass Menschen im Kampf gegen die AfD handlungsfähig werden. Wir verteidigen in Essen die Gesellschaft der vielen und ihre feministischen, antirassistischen und klimagerechten Errungenschaften. Der Parteitag ist dafür ein Kristallisationspunkt.

Warum glauben Sie, dass Essen ein Kristallisationspunkt ist? Der Trend geht ja gerade seit der Correctiv-Recherche zum breiten, lokalen Protest und nicht zu zentralen Großmobilisierungen.

Interview

Das Bündnis Widersetzen hat das Ziel, den AfD-Bundesparteitag am letzten Juni-Wochenende zu verhindern. Bundesweit will es Busse zu den Protesten mobilisieren und Aktionen des zivilen Ungehorsams durchführen. Katharina Schwabedissen, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi im Ruhrgebiet, und Daniel Haber von der Interventionistischen Linken aus Darmstadt haben mit dem »nd« über die Protestpläne gesprochen.

Schwabedissen: Na ja, die AfD macht ihren Bundesparteitag in Essen und die AfD ist ja im Grunde genommen der Adressat der lokalen Proteste gewesen. Das ist die Partei, die sich Räume nimmt, die immer breiter werden, in denen sie ihre faschistischen und rechtsreaktionären Inhalte ausbreiten wollen. Der Bundesparteitag der AfD war 2015 ja schon einmal in Essen. Damals ist Frauke Petry gewählt worden, die vom Höcke-Flügel unterstützt wurde. Beim kommenden Parteitag wollen Höcke und seine Leute den personellen Umbau weiter vorantreiben und Strukturen ausbauen, mit denen sie ihre Umsturzpläne vorantreiben können. Deswegen ist Essen ein Kristallisationspunkt. Das ist der Ort, an dem man deutlich machen kann: Es gibt tatsächlich in diesem Land eine relevante Masse von Menschen, die sagen, wir wollen das nicht und wir werden das verhindern.

Haber: Entgegen den ganzen Aufrufen, wählen gehen sei das Beste gegen den Faschismus, und der doch sehr bürgerlich getragenen lokalen Mobilisierung wird in Essen eine aktive Zivilgesellschaft der vielen entschlossen zeigen, dass sie sich dieser Politik widersetzt und es nicht ausreicht, Lippenbekenntnisse abzugeben, sondern dass jetzt der Moment ist, sich dem entgegenzustellen. Es geht darum, ein Signal auszusenden, dass feministische, antirassistische und klimagerechte Errungenschaften nicht kampflos aufgegeben werden. Und genau das ist ein sehr wichtiges Signal, was über die AfD hinaus gesendet werden muss. Wir hören ja gerade ganz viel von der Brandmauer gegen rechts, die ist halt nicht abstrakt, sondern muss konkret werden. Und Essen ist ein Ort, an dem deutlich gemacht werden kann, die Brandmauer steht, und sie ist bunt, vielfältig und widerständig.

Angenommen, ich lebe in einer Kleinstadt in Süddeutschland und möchte gern gegen die AfD in Essen protestieren. Was tut Widersetzen für mich, oder was kann ich tun, um dabei mitzumachen?

Schwabedissen: Dann gehst du am besten auf unsere Homepage, für viele Städte gibt es da schon Ansprechpartner*innen. Du kannst dann Kontakt zu jemandem aus der Nähe aufnehmen, vielleicht könnt ihr eine Infoveranstaltung oder ein Aktionstraining anbieten. Und wir helfen sehr gerne bei der Organisation von einem eigenen Bus. Dafür haben wir ein solidarisches System organisiert.

Auf was muss ich mich dann in Essen einstellen?

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Haber: Das Protestwochenende beginnt am Freitagabend mit einer Rave-Demonstration. Anschließend kann man noch in antifaschistischen Clubs feiern. Wir planen aber auch ein Camp, die Aktionen zivilen Ungehorsams gehen nämlich möglicherweise früh los. Unser Aktionsbild kann man sich vielleicht ähnlich vorstellen wie die Aktionen von Ende Gelände oder Tesla stoppen. Wir werden uns entschlossen mit unseren Körpern einen Weg suchen, um möglichst effektiv den Afd-Parteitag zu verhindern.

Schwabedissen: Wir knüpfen bewusst an die Mobilisierungen von Dresden Nazifrei an. Da gab es über Jahre große Naziaufmärsche, die erst verhindert werden konnten, als das Bündnis immer breiter wurde und da sogar Wolfgang Thierse in der Blockade saß. Die Polizei hat damals eingesehen, hier sitzt ein breiter Ausschnitt der Bevölkerung auf der Straße, und hat nicht geräumt. Gegen den Naziaufmarsch in Dresden hat das geholfen, es gibt ihn heute nicht mehr in dieser Größe.

Ist es denn möglich, diese Breite in Essen zu erreichen, mit Aktionen, die über brave Kundgebungen hinausgehen? NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur werden sich wohl nicht vor die Grugahalle setzen.

Schwabedissen: Es wäre ein gutes Zeichen, wenn sie das machen würden. Eigentlich müsste da der ganze Landtag sitzen.Es gab in Essen Übergriffe auf Grünen-Politiker im Wahlkampf. Wir haben den Angriff gegen Matthias Ecke in Dresden. Es gab den Mord an Walter Lübcke. Also eigentlich wissen ja fast alle Parteien, die im Landtag vertreten sind, dass sie konkret betroffen sind von dem, was die AfD plant. Und selbst wenn Hendrik Wüst nicht in der Blockade sitzt: Wir bekommen so viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft. Zuletzt hat Verdi NRW einen Aufruf veröffentlicht, dass man sich an allen Protesten in Essen beteiligen soll. Das ist ein Statement.

Haber: Das würde ich auch noch mal unterstreichen wollen. Also die Breite ist in Essen auf jeden Fall gegeben. Dabei geht es auch viel um Selbstermächtigung. Es gibt migrantische, feministische und klimapolitische Mobilisierungen zu den Blockaden. Und das ist gerade jetzt das richtige Zeichen. Im Kampf gegen den Faschismus kann man sich nicht auf den Staat verlassen, und deswegen müssen wir den Faschist*innen die Räume nehmen, die sie beanspruchen. Es ist Zeit, das AfD-Verbot, von dem immer so viel gesprochen wird, selbst in die Hand zu nehmen.

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