• Politik
  • Politisch motivierte Kriminalität

Rechte Straftaten bleiben auf Allzeithoch

Verdreifachung bei antimuslimischen, Verdoppelung bei antisemitischen Delikten

Das Bundeskriminalamt (BKA) zählt für das Jahr 2023 insgesamt 60 028 verschiedene Straftaten aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK). Das geht aus der Statistik hervor, die das Bundesinnenministerium am Dienstag für das Vorjahr präsentiert hat. Verglichen mit 2022 ist dies eine Zunahme um rund zwei Prozent. Seit Einführung der PMK-Statistik im Jahr 2001 steigt der Wert kontinuierlich an, in den vergangenen zehn Jahren hat er sich in etwa verdoppelt.

Fast die Hälfte der 2023 begangenen Straftaten fällt mit 28 945 Fällen in den PMK-Bereich »rechts«. Dies ist ein Anstieg um rund ein Viertel. Weitere 16 678 Delikte gehören in den Bereich »sonstige«, darunter fallen beispielsweise selbsternannte »Reichsbürger« oder Verschwörungsideologen. Wegen der Bedeutungslosigkeit von Corona-Protesten sind dem BKA zufolge Vorfälle aus dieser Kategorie um ein Drittel gesunken.

7 777 Delikte sollen aus dem Bereich »links« begangen worden sein, davon ein großer Teil bei Klimaprotesten. Die Zahl der Straftaten im Bereich »ausländische Ideologie« ist dem Bericht zufolge auf 5 170 gestiegen, dies ist eine deutliche Zunahme um etwa ein Drittel. Davon erfasst sind Vorfälle im Zusammenhang mit dem Gaza- oder dem Ukraine-Krieg oder Taten, wie sie seit Jahren im Zusammenhang mit Angriffen auf kurdische Gebiete begangen werden. »Religiös motivierte« Straftaten werden gesondert gezählt, bezogen auf »Islamismus« hat sich dieser Wert auf 1 458 Vorfälle verdreifacht. Auch hier können aber Konflikte im Nahen Osten der Auslöser gewesen sein. Insgesamt zählt das BKA 4 369 Straftaten mit dem Wert »Nahost-Konflikt«, darunter 223 Vorfälle mit Einsatz von Gewalt.

Die Zahl der als antisemitisch eingestuften Straftaten hat sich mit 5 164 im Vergleich zu 2023 in etwa verdoppelt, die meisten seien laut dem BKA nach dem 7. Oktober erfolgt. Mehr als die Hälfte wurden laut Statistik im Bereich »rechts« begangen. Ebenfalls nach dem 7. Oktober stiegen aber auch muslimfeindliche Straftaten, diese haben sich mit 1 464 Fällen sogar beinahe verdreifacht.

In dem Bericht werden politisch motivierte Straftaten aufgeschlüsselt in Tötungsdelikte, Gewalttaten und Propagandadelikte. Auch hier führen Rechte die Listen an. Vollendete Tötungsdelikte gab es im Bereich der »religiösen« und »ausländischen« Ideologie.

Auch der »Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt« (VBRG) hat am Dienstag auf einer Pressekonferenz seine Beobachtungen für 2023 vorgestellt. Die angeschlossenen Stellen haben demnach 2 589 rechte, rassistische und antisemitische Gewalttaten und damit ebenfalls einen deutlichen Anstieg dokumentiert. Gezählt sind hier aber nur Fälle aus elf Bundesländern – trotzdem liegt der Wert über dem des BKA, das nur 1 270 rechte Gewaltaten zählt. Die Beratungsstellen werfen den Behörden deshalb eine »gravierende Untererfassung rechter Gewalt« vor.

Weder das Bundesinnenministerin noch das BKA nennen konkrete Fälle politisch motivierter Gewalttaten aus dem vergangenen Jahr. Diese finden sich jedoch in der Statistik des VBRG. Nur durch glückliche Umstände hat etwa im Mai eine schwangere junge Frau in Hamburg einen rassistisch motivierten Mordversuch durch einen Nachbarn überlebt. In Reutlingen wurde ein 37-jähriger US-Amerikaner im Juni vor einem alternativen Jugendzentrum von einem 18-jährigen Naziskinhead nach einem Wortwechsel über dessen politische Einstellung durch einen Messerstich in die Brust lebensgefährlich verletzt. In Regensburg wurde ein 20-jähriger Syrer im Oktober beim Telefonieren von einem rassistisch motivierten Täter unvermittelt von einer Brücke gestoßen und erlitt dabei schwere Verletzungen. In Cottbus wurde ein 12-jähriger Schüler ebenfalls im Oktober von einem Lehrer aus rassistischen Motiven massiv verletzt und musste stationär im Krankenhaus behandelt werden. Im Dezember wurde ein Tourist in München, der eine Kippa trug, aus einer vierköpfigen Gruppe antisemitisch beleidigt, zu Boden getreten und verletzt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -